In den vergangenen Tagen hat die russische Armee viele Städte und Regionen in der Ukraine mit Raketen und Drohnen unter Beschuss genommen. Neben großen Zerstörungen haben die Angriffe auch viele zivile Opfer gefordert.

Oberst Thomas Golda leitet das Institut Fliegerabwehr an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule des Bundesheeres in Langenlebarn. Er erklärt, welche Abwehrsysteme und Waffen davor schützen können.

Das sagt der Bundesheer-Experte:

Wie kann eine Armee die eigene Bevölkerung vor dem Beschuss mit Raketen oder Kamikaze-Drohnen schützen?

Der Schutz der eigenen Bevölkerung und Infrastruktur im gesamten Gebiet eines Staates ist nicht möglich. Dafür bedürfte es eines Schutzschirms über das ganze Land.

In Österreich wäre es aber denkbar, bestimmte Räume und Objekte gegen diese Form der Bedrohung zu schützen, zum Beispiel kritische Infrastruktur wie die Raffinerie in Schwechat. Ein hundertprozentiger Schutz ist aber auch in diesem Fall eher unwahrscheinlich. 

Zuerst muss man wissen, woraus die Bedrohung genau besteht: Handelt es sich um ballistische Raketen, Marschflugkörper oder Drohnen? Dem kann man die Möglichkeiten der Abwehr gegenüberstellen.

Im Bereich der Aufklärung wird versucht, die Bedrohung mittels Sensoren rechtzeitig in unterschiedlichsten Entfernungen und Höhenbereichen zu entdecken. Dies geschieht durch Radarsensoren, optische Sensoren, Funkpeilung, akustische Sensoren und andere Systeme.

Danach wird computerunterstützt entschieden, welches Waffensystem zur Abwehr der Bedrohung zum Einsatz kommt. Je nach Bedrohung werden meist elektromagnetische Wellen, Kanonen oder Raketen eingesetzt. In näherer Zukunft ist auch der Einsatz von Lasern gegen Bedrohungen aus der Luft denkbar.

Dieses Zusammenwirken wird im Rahmen eines „Integrated Air Defense Systems“ sichergestellt. Dies ist ein sehr komplexes System, in dem alle Komponenten zum Zusammenwirken gebracht werden. In Israel kommt zur Abwehr dieser Bedrohungen bis zu einer Entfernung von 70 Kilometern das System „Iron Dome“ und zur Abwehr auf Distanzen von 70 bis 300 Kilometern das System „David’s Sling“ zum Einsatz. Die Abwehr ballistischer Raketen ist etwa durch das US-amerikanische System „Patriot“ oder das israelische System „Arrow 3“ möglich.

Für einen Staat wie Österreich ist die Abwehr ballistischer Raketen im Alleingang kaum realisierbar. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz forderte im Sommer 2022 ein europäisches Luftverteidigungssystem, an dem sich die Nachbarstaaten beteiligen und damit einen Beitrag leisten können.

Die ukrainische Armee hat erklärt, rund die Hälfte der mehr als 80 Raketen abgeschossen zu haben. Ist das realistisch?

Unter der Annahme, dass die ukrainischen Angaben stimmen, stellt der Abschuss der Hälfte der Raketen einen beachtenswerten Erfolg dar. Werden gleichzeitig viele Arten von Raketen und Drohnen auf Ziele abgeschossen, tritt eine sogenannte „Sättigung“ ein. Die im gesamten Abwehrsystem vorhandenen Mittel werden gesättigt. Das bedeutet, dass nicht alle Ziele erkannt werden, Feuerleit-Entscheidungen nicht oder zu spät getroffen werden und die Anzahl der Abwehrmittel und/oder die Anzahl der Munition an der Waffe nicht ausreichen, um alle Ziele zu bekämpfen.

Warum haben die russischen Raketen so viele zivile Einrichtungen und nicht militärische Ziele getroffen?

Zu Beginn muss die Frage gestellt werden, was die zu bekämpfenden Ziele waren. Es ist durchaus denkbar oder sogar wahrscheinlich, dass die Bekämpfung ziviler Ziele beabsichtigt war, um zum Beispiel Angst und Schrecken zu verbreiten oder kritische Infrastruktur zu zerstören.

Weiters ist es möglich, dass durch die Bekämpfung militärischer Ziele die Zerstörung der benachbarten zivilen Einrichtungen in Kauf genommen wurde (hier spricht man von Kollateralschäden). Dies kann beim Einsatz von Raketenartillerie, ballistischen Raketen und ungelenkten Raketen passieren, da es sich bei diesen um keine Präzisionswaffen handelt. Kamikaze-Drohnen und Marschflugkörper sind Präzisionswaffen und erlauben meist punktgenaue Treffer.

UKRAINE: 3 Fragen – 3 Antworten

UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 32: ANNEXION UND FRIEDEN?

UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 31: GEGENANGRIFF?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 30: 9. MAI?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 29: WAFFEN FÜR DIE UKRAINE?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 28: THERMOBARISCHE WAFFEN?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 27: MOSKWA UND FLOTTENMACHT?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 26: NUKLEARER ELEKTROMAGNETISCHER IMPULS?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 25: ELEKTRONISCHER KAMPF?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 24: TAKTISCHE ATOMWAFFEN?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 23: MARIUPOL?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 22: PHOSPHORBOMBEN?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 21: KRIEG UND RECHT?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 20: BIOLOGISCHE WAFFEN?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 19: ABC-GEFAHREN?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 18: NACHSCHUB?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 17: RAKETEN UND FLUGABWEHR?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 16: LUFTKAMPF?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 15: KAMPF DER VERBUNDENEN WAFFEN?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 14: PANZERKAMPF?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 13: KAMPF UNTER DER ERDE?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 12: CYBERWAR?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 11: NEUTRALITÄT?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 10: WIE LÄUFTS?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 9: ABC GEFAHR?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 8: KAMPF UM DIE STÄDTE

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 7: LUFTKRIEG UND DROHNEN

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 6: ATOMKRAFTWERKE UND NUKLEARE BEDROHUNG

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 5: WELCHE WAFFEN?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 4: WAFFEN FÜR KIEW?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 3: GIBT ES WIDERSTAND?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 2: WELCHE FOLGEN HAT DER ANGRIFF?

– UKRAINE: 3 FRAGEN – 3 ANTWORTEN, TEIL 1: WAS IST LOS?