Oberst Markus Reisner leitet die Entwicklungsabteilung an der Militärakademie in Wiener Neustadt. Hier beantwortet er aktuelle Fragen zum Krieg in der Ukraine.

Das sagt der Bundesheer Experte:

Die Satellitenbilder des russischen Konvois vor Kiew erinnern an einen Verkehrsstau in Friedenszeiten. Wäre es hier für die Ukrainische Armee nicht ein Leichtes, diesen Aufmarsch durch Luftangriffe zu stören?

Dazu müsste die ukrainische Seite noch über die entsprechenden Mittel und Fähigkeiten verfügen. Dazu eignen würden sich Kampfflugzeuge, Erdkampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, bewaffnete Drohnen, ballistische Raketen, Mehrfachraketenwerfer oder diverse Artillerie-Systeme.

Der Umstand, dass keines dieser Mittel gegen den Konvoi eingesetzt wird, kann als Indiz dafür gesehen werden, dass die Ukrainische Armee bereits stark geschwächt ist. Es würden sich noch Hinterhalte, Überfälle oder Störaktionen von Spezialkräften anbieten. Tatsächlich bereiten deren Angriffe den russischen Truppen im Osten entlang der Versorgungsrouten bereits erhebliche Probleme.

Verbleiben wir bei der Frage hinsichtlich des russischen Konvois: Welche Rolle kommt den eigenen Luftstreitkräften im Verteidigungsfall zu? Sind Fliegerabwehrwaffen nicht ausreichend?

Die Rolle der ukrainischen Luftstreitkräfte umfasst eine ganze Bandbreite von Aufgaben. Dazu zählt an erster Stelle das Sicherstellen eines umfassenden Lagebildes über das gesamte Staatsgebiet und darüber hinaus. Hinzu kommt der schwergewichtsmäßige Einsatz von mobilen und stationären Fliegerabwehreinrichtungen und -waffen wie Fliegerabwehrraketen oder -kanonen. Diese dienen vor allem dem Schutz von stationären Einrichtungen wie es etwa „Command and Control“-Strukturen oder Logistik-Lager sind.

Luftfahrzeuge bilden hingegen die aktive Komponente einer Luftverteidigung. Nur in diesem Gesamtverbund ist eine effektive Luftverteidigung möglich. Hinzu kommen weitere Fliegerabwehrelemente der Landstreitkräfte. Diese ermöglichen ihnen, sich auf dem Gefechtsfeld geschützt zu bewegen. Auch hier dürften die ehemals vorhandenen Fähigkeiten der ukrainischen Luftstreitkräfte bereits wesentlich eingeschränkt sein.

Welche Rolle spielen Drohnen im aktuellen Konflikt? Wird deren Bedeutung aufgrund der doch noch relativ neuen Technologie nicht überbewertet?

Drohnen kommen tatsächlich auf beiden Seiten zum Einsatz. Die russische Armee verwendet sie zur gefechtstechnischen Nahaufklärung, zur Artillerieaufklärung und als Mittel der elektronischen Kampfführung. Hinzu kommen möglicherweise noch einige bewaffnete Systeme.

Die ukrainische Seite setzt von der Türkei gelieferte Kampfdrohnen vom Typ „Bayraktar TB2“ ein. Diese konnten zumindest in den ersten Tagen mehrere russische Ziele (z.B. ein Fliegerabwehrsystem, einen Zug-Kesselwagen und einige Konvois) erfolgreich aus der Luft bekämpfen. Es ist derzeit aber unklar, ob sie noch im Einsatz stehen.

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