Die Kämpfe in der Ukraine dauern an und wir beantworten weiterhin Fragen rund um den Konflikt. Diesmal kommen die Antworten von Oberst Markus Reisner. Er leitet die Entwicklungsabteilung an der Militärakademie in Wiener Neustadt.

Das sagt der Bundesheer Experte:

Welche Waffensysteme schickt der Westen an die Ukraine und warum genau diese? Können die Ukrainer diese Waffen auch ohne Ausbildung sofort einsetzen?

Der Westen lieferte bereits im Vorfeld des Angriffes vor allem leichte Panzerabwehrwaffen und leichte Fliegerabwehrlenkwaffen. Sie sind leicht zu bedienen und erfordern in der einfachsten Anwendungsstufe nur eine geringe Ausbildung beziehungsweise Einweisung. Ihr Einsatz ist durch einen Angreifer schwer erkennbar und stellt daher im Gefecht eine unmittelbare Bedrohung dar.

Der russische Raketenwerfer TOS-1 „Buratino“ feuert „thermobarische“ Sprengköpfe ab. Die Wirkung im Ziel bringt breitflächig Tod und Vernichtung. Ist der Einsatz im urbanen Gebiet ungeachtet der Zivilbevölkerung zu befürchten?

Das ist leider mit zunehmendem Widerstand der ukrainischen Truppen zu befürchten. Schon am Beginn der russischen Offensive setzten die russischen Truppen derartige Waffen als Artillerievorbereitung für den sogenannten „Angriff zum Durchbruch“ ein. Es ist mit derartigen Waffen kaum möglich, wesentliche Grundsätze des humanitären Völkerrechts im unübersichtlichen urbanen Gelände einzuhalten. Dazu zählen der Unterscheidungsgrundsatz (Wer ist Zivilist, wer ist Soldat?) sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Schonung ziviler Wohngebiete).

Kann es sein, dass ukrainische Atomkraftwerke durch die Kampfhandlungen beschädigt werden und es somit in Folge zu einem zweiten Tschernobyl kommen könnte?

Das kann durchaus sein. Beide Seiten dürften sich jedoch völlig der Gefahr einer dadurch verursachten nuklearen Verstrahlung bewusst sein. Tschernobyl wurde von den russischen Truppen kampflos eingenommen und es wurden kurze Zeit später Fotos veröffentlicht, die ukrainische Techniker gemeinsam mit russischen Soldaten an den Bedienpulten zeigen. Die Gefahr besteht zukünftig vor allem darin, dass die Bedienungsmannschaften der Atomkraftwerke überstürzt ihre Arbeitsplätze verlassen und so die Situation außer Kontrolle geraten könnte.

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