Oberst Jürgen Schlechter ist Leiter des ABC-Abwehrzentrums des Bundesheeres, das sich mit atomaren, biologischen und chemischen Gefahren beschäftigt. Hier beantwortet er aktuelle Fragen zum Krieg in der Ukraine.

Das sagt der Bundesheer Experte:

Auf welche Art und Weise und in welchem Umfang wirken biologische Waffen und wie werden sie eingesetzt?

Biologische Kampfstoffe sind Krankheitserreger, die Infektionskrankheiten verursachen, und Giftstoffe biologischen Ursprungs (Toxine), die Vergiftungen verursachen. Sie zählen nach der Bio-Toxinwaffenkonvention 1975 zu den verbotenen Massenvernichtungswaffen. Es handelt sich dabei um keine klassischen Gefechtsfeldwaffen: Sie wirken aufgrund der Inkubationszeit stark verzögert und unterscheiden nicht zwischen Soldat und Zivilbevölkerung.

Der Einsatz von biologischen Waffen bedingt die Überwindung etlicher technischer Hürden, ihre Wirkung hängt auch vom Hygiene- und Immunstatus der betroffenen Organismen ab und der Eigenschutz des Ausbringers ist schwierig. Leicht übertragbare Erreger können Epidemien (und Pandemien) auslösen, welche die gesamte Gesellschaft schwächen und deren Gesundheitssystem beeinträchtigen können. Dazu kommen unter anderem sozioökonomische Folgen. Tier- und Pflanzenkrankheiten können massive Auswirkungen auf die Nahrungsmittelversorgung und auf die Ökonomie nach sich ziehen.

Der wirkungsvollste und wahrscheinlichste Infektionsweg für einen Angriff mit biologischen Waffen erfolgt über die Luft, also über Aerosole, die mittels Sprühvorrichtungen verbreitet werden und direkt von den Betroffenen aufgenommen werden.

Wie sehen effektive Gegen- bzw. Schutzmaßnahmen aus?

Schutz ist vorbeugend – wenn verfügbar –  durch Schutzimpfungen und nach der Verbreitung nur durch Filterung der Atemluft und einen wirksamen Körperschutz möglich. Dies geschieht vorwiegend durch Schutzmasken mit geeigneter Filterwirkung und Maßnahmen zur Kontaktvermeidung. Darüber hinaus sind Maßnahmen des ABC-Schutzes erforderlich: Vor allem das Feststellen von Art, Ort und Grenzen durch die ABC-Aufklärung, medizinische Gegenmaßnahmen bei allfälligen Vergiftungen, Erstellen von Ausbreitungsvorhersagen zum rechtzeitigen Warnen und Alarmieren Betroffener.

Das Erstellen von Ausbreitungsvorhersagen ist bei übertragbaren Krankheiten besonders schwierig, da die Wirkungen von zahlreichen Faktoren abhängig sind, zum Beispiel vom Wetter, von Übertragungswegen, Immunität der Bevölkerung oder der Resistenz der Erreger.

Kann der Einsatz von biologischen Waffen eine Auswirkung auf Österreich haben?

Sollte es zum Einsatz leicht übertragbarer Krankheitserreger kommen, wäre eine Ausbreitung der Krankheit im spezifischen Anlassfall auch auf Österreich ins Kalkül zu ziehen. Einen biologischen Angriff nachzuweisen, ist schwierig. Denn die forensische Beweisführung, durch wen eine beabsichtigte Freisetzung von Krankheitserregern erfolgte und dass es sich dabei nicht um ein auf natürlichem Weg ausgebrochenes Seuchenphänomen handelt, ist äußerst schwer zu erbringen.


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UKRAINE: 3 Fragen – 3 Antworten

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