Carsten Dombrowski  – hier die Homepage seiner CAPSARIUS AKADEMIE, die euch den exzellenten „Callsign Doc“ Newsletter liefert – war als Militärbeobachter der deutschen Bundeswehr in der Westsahara eingesetzt. Heute geht es um interkulturelle Herausforderungen im UN Einsatz:

Mit 22 Militärbeobachtern aus 16 Nationen sechs Monate in einem Camp zu verbringen, welches so groß ist wie zwei Fußballfelder, bringt zwangsläufig auch interkulturelle Herausforderungen mit sich.

Spätestens nach wenigen Tagen fallen bei den meisten die Masken der künstlichen Zurückhaltung und zum Vorschein kommt der wahre Charakter der jeweiligen Person.

Was ich damit sagen möchte ist, dass jeder dann Mensch aus einem anderen Kulturkreis, mit einer anderen Sozialisation ist. Nicht mehr und nicht weniger. Das galt auch für mich.

Das macht das Arbeiten in einem solch internationalen Team auch so vielschichtig und spannend. Was alle eint, ist das gemeinsame Ziel und der Auftrag. Der Weg dort hin, kann aber doch erheblich voneinander abweichen.

Bilder wie das im Aufmacher zeigen die unterschiedlichen Kameraden vor Ort: Pakistan – Jemen – Kasastan – Deutschland sind hier versammelt.

Spannende, teilweise aufregende und ab und zu auch ärgerliche Momente habe ich in diesem Einsatz erlebt. Eindrücke, die vermutlich alle erzählt, ein eigenes Buch füllen würden. Leider geraten die meisten dieser Erlebnisse aber dann doch zu schnell in Vergessenheit, da sie nicht aufgeschrieben wurden und dem Alltag vor Ort entspringen.

Ja, es gab auch Streit unter den UN Beobachtern. Streit über vermeindliche Unzulänglichkeiten des anderen oder tatsächliche Verfehlungen. Selten führten diese Streitigkeiten aber dazu, dass der Team Side Commander, also der militärische Führer dieses UN Stütztpunktes, schlichtend oder disziplinar eingreifen musste. Nach der obligatorischen Nacht vor einer geplanten Beschwerde, war der Ärger meist wieder verflogen und es ging nach einem klärenden Gespräch gemeinsam weiter.

Extreme Unterschiede waren selten und alles andere ließ sich irgendwie regeln. Waren wir doch alle auch Offiziere und Soldaten. Da ist man sich doch irgendwie ähnlich. Egal welche Art von Tarnanzug der jeweilige Kamerad dann trägt.

Gab es auf Grund der Herkunft dann doch noch irgendwelche Unterschiede bei der Herangehensweise an einen Auftrag, wurden diese durch UN Regularien oder SOP´s (Standard Operating Procedure) gleichgeschaltet. Diese Vorgaben, wie z.B. Verhalten bei Notlagen etc, ließen auch keinen Spielraum für interkulturelle Individualitäten zu.

Auch Befehlsausgaben für die jeweiligen Aufträge und Patrouillen liefen gemäß der festgelegten Schemata, routiniert ab.

Kam es also in militärischen Belangen zu Unstimmigkeiten, dann waren diese nahezu zu 100 Prozent den menschlichen Defiziten des jeweiligen Offiziers geschuldet. Unpünktlichkeit oder fehlerhafte Vorbereitung für einen Auftrag sind Dinge, die in jedem Land vorkommen können. Habe ich auch innerhalb der Bundeswehr so erlebt. Die individuelle Tagesform leidet auch bei zunehmender Dauer des Einsatzes.

Viel spannender waren für mich die vielen Eindrücke, die der zwischenmenschlichen Ebene entsprangen.  Stundenlange Fahrten auf eintönigen Pisten ließen viel Raum für gute Gespräche. So vieles konnte ich fragen, über so vieles wurde ich gefragt. Wie ist das Schulsystem in China, oder wie war die Zeit unter jenem oder diesem Politiker. Was machen die Angehörigen, wie hast Du Deine Frau kennengelernt, u.s.w.

Es waren sehr viele Fragen auch aus dem sehr persönlichen Erleben des Gegenüber möglich und haben mir häufig eine ganz andere Sichtweise auf Vorstellungen über Gesellschaft, Religion und Kultur eines Landes vermittelt. Ja, auch Fragen zu Religion, Politik und Familie waren möglich. Natürlich mit dem nötigen Fingerspitzengefühl.

Auch hier habe ich nur wenig Ausrutscher erlebt, die aus der individuellen Sozialisation des anderen mündeten. Der Anspruch eines pakistanischen Stabsoffiziers, dass ich als Niederer sein Gepäck trage, oder der eines bangladeschischen Majors, dass jemand seine Stiefel putzt, waren solche Momente. Mit einer klaren aber freundlichen Ansage, dass innerhalb der UN Szene hier im Camp Dienstgrade eher unwichtig sind und wir alle gleich behandeln, löste zwar erst einmal Irritation, dann aber Verständnis aus. Solche Töne waren einige einfach nicht gewohnt. Andere Länder, andere Sitten.

Große Unterschiede wurden bei der Zubereitung der Nahrung oder beim Zelebrieren von Festivitäten deutlich. Als Deutscher ist man da ja oft eher zurückhaltend. Lateinamerikaner mit einer guten Stimmung oder Asiaten mit scharfen Gewürzen zeigten die Vielschichtigkeit unserer Team Side. Egal von wem in welcher Situation. Man konnte immer etwas lernen oder einfach staunen. Nahm man sich selbst nicht zu wichtig und ließ der einen oder anderen Besonderheit Raum, wurde das alles meist zum Erlebnis und es wurde viel gelacht. Auch über die eine oder andere „Unart“ des anderen. Stereotypen der Nationen wurden offen gelegt und wir alle amüsierten uns herzhaft darüber.  War jeder einzelne ja auch Repräsentant seines Landes und seiner Kultur. Man musste ja nicht alles bedingungslos kopieren. In Sachen Hygiene oder Toilettenbesuch behielt ich mir meine von Kindesbeinen an erlernten Sichtweisen dann doch lieber bei.

Blicke ich mit etwas zeitlichem Abstand auf dieses Thema Interkulturalität, kann ich nur sagen, dass jeglicher Ärger schon lange verflogen ist. Hängen geblieben sind die vielen zwischenmenschlichen Eindrücke. Die vielen tollen und nachhaltigen Gespräche mit einzigartigen Menschen. Die Möglichkeiten, andere Kulturkreise so ungeschminkt und ehrlich erleben zu dürfen. Vieles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und dabei eine gewisse Gelassenheit zu entwickeln. Das alles hat mich sehr geprägt. Der deutsche Weg die Welt oder eine Problemlösung vor Ort anzugehen, ist nicht immer der einzige Weg. Der vielzitierte Blick über den Tellerrand hat mir oft oft geholfen.

Militärbeobachter in der Westsahara – zum Nachlesen:

Teil 1: Die Auswahl

Teil: 2: Die Ausbildung

Teil 3: Helipatrol und falsche Panzer

Teil 4: Im Land der Puszta und Magyaren

Teil 5: Wenn deutsche Soldaten auf Reisen gehen

Teil 6: Following the dust

Teil 7: Papa Lima bei den Desert Hawks

Teil 8: Air Patrol – die Wüste aus der Luft

Teil 9: Minen und Altlasten des Krieges

Teil 10: Into the Dark

Fragen? Kontaktieren Sie die CAPSARIUS AKADEMIE unter unserer info@capsarius-akademie.com mit dem Betreff „Marokko“.

Wer den Newsletter der Capsarius Akademie exklusiv und automatisch bekommen will, muss sich HIER eintragen. CALLSIGN DOC landet dann per Mail. Alte Ausgaben im Archiv verfügbar.

CAPSARIUS AKADEMIE im Internet: www.capsarius-akademie.com