In den 90er Jahren haben islamistische Kämpfer in Bosnien ihre illegalen Waffenkäufe mit Geld bezahlt, das über Wien geschleust wurde. Heute gelten schärfere Regeln. Aber es ist noch immer sehr schwer, Geldwäsche zu beweisen. Darum drängen Ermittler in solchen Fällen auf eine Umkehrung der Beweislast.

UNO-City, OPEC-Zentrale, internationale Hilfsorganisationen – all das verleiht Wien internationale Bedeutung. Als Bundeshauptstadt ist die Donaumetropole außerdem Standort für mehr als hundert Botschaften und Konsulate. Davon profitiert nicht nur die Stadt, sondern ganz Österreich – finanziell und imagemäßig. Im Dunstkreis und teils auch unter dem Deckmantel internationaler Vertretungen und Organisationen konnten sich in Wien aber auch Personen etablieren, denen es eher nicht um den Weltfrieden ging, nicht einmal um gute diplomatische Beziehungen. Sie wickelten hier nachweislich schwerkriminelle Geschäfte ab. Ist Wien eine zentrale europäische Geldwäsche-Drehscheibe? Belegbar ist jedenfalls, dass, um ein Beispiel aus der Vergangenheit zu nennen, über Wien große Geldtransfers durchgeführt wurden, um den Bosnien-Krieg mitzufinanzieren.

Mitarbeiter internationaler Vertretungen und Organisationen bekommen teils Diplomatenpässe, damit auch politische Immunität. Sie sind weitgehend vor Strafverfolgung geschützt. Was grundsätzlich internationalen Standards zivilisierter Staaten entspricht, bietet allerdings auch gute Rahmenbedingungen für illegale Machenschaften. Das zeigen die Vorkommnisse rund um eine „Hilfsorganisation“, die in der Nähe von Schloss Belvedere angesiedelt war.

Die Wiener Al-Kaida-Connection und das „bosnische Modell“

Freundliche Bankmitarbeiter, anonyme Konten und eine Polizei, die nicht viele Fragen stellte – Wien galt schon lange als Paradies für Geheimagenten.

Das dürfte auch der Grund dafür gewesen sein, dass sich in den 1980er Jahren die „Third World Relief Agency“ (TWRA) hier etablierte. Die Agentur dürfte dabei nicht so sehr die Hilfe bedürftiger Menschen im Auge gehabt haben. Laut Nachrichtendiensten hat die TWRA radikal-islamistische Einheiten im Bosnien-Krieg zwischen 1992 und 1995 finanziell und logistisch unterstützt.

Die Agentur wurde 1987 von den sudanesischen Brüdern Elfatih und Sukarno Hassanein gegründet. Der Stammsitz befand sich in der Prinz-Eugen-Straße 36 im 4. Wiener Gemeindebezirk. In Sarajewo, Budapest, Moskau und Istanbul wurden Zweigstellen eingerichtet.

Elfatih Hassanein war, ehe er nach Wien kam, Osteuropa-Beauftragter der national-islamischen Front (NIF) gewesen, der führenden islamischen Partei im Sudan. Zwischen 1991 und 1996 beherbergte das NIF-Regime Al-Kaida-Chef Osama bin Laden, nachdem dieser Saudi-Arabien hatte verlassen müssen.

Hassanein wurde im März 1992 in Österreich als sudanesischer Kulturattaché akkreditiert und mit einem Diplomatenpass ausgestattet, der ihm Schutz vor polizeilicher Ermittlung bot. Im gleichen Jahr stellte der bosnische Außenminister Haris Silajdžić eine Vollmacht für die TWRA aus, die belegen sollte, dass Bosnien die TWRA goutiert. Das erleichterte der „Hilfsorganisation“, bei der GiroCredit (später Erste Bank) am Wiener Graben ein Konto zu eröffnen.

Dass die Agentur mit der Hilfe für Bedürftige wenig zu tun hatte, zeigte schon die Besetzung des Aufsichtsrats. So bekam der bosnische Vize-Verteidigungsminister Hasan Čengić einen Sitz im TWRA-Kontrollgremium. Der radikalislamische Politiker, der auch als Imam fungierte, stand im Verdacht, für den iranischen Geheimdienst zu arbeiten. TWRA-Gründer Elfatih Hassanein erhielt zusätzlich zu seinem sudanesischen auch einen bosnischen Diplomatenpass.

Erst Jahre später wurde über Geheimdienstberichte bekannt, wem die Agentur tatsächlich „half“: Über die TWRA flossen – wider das UNO-Waffenembargo gegen Jugoslawien – zwischen 1992 und 1995 große Geldmittel nach Bosnien, mit denen große Teile der Waffen für den Krieg am Balkan finanziert wurden.

50 Millionen Dollar Bargeld

Wie liefen die Transaktionen konkret ab? Im Jahr 1994 landete beispielsweise eine Bargeld-Lieferung von 50 Millionen US-Dollar (mehr als 90 Kilogramm Banknoten) auf dem Flughafen Wien-Schwechat. Die Mittel stammten offenbar aus einer Ramadan-Spendensammlung für Bosnien aus dem Mittleren Osten. Das „Hilfsgeld“ wurde auf das Wiener TWRA-Konto bei der GiroCredit eingezahlt.

Wöchentlich wurden zwischen drei und fünf Millionen US-Dollar – als „Diplomaten-Gepäck“ getarnt und damit unkontrolliert – per Auto von Wien nach Sarajewo gebracht.

Zumindest die Hälfte des nach Bosnien transferierten Geldes soll für den Kauf und Schmuggel von Waffen eingesetzt worden sein. Ein Beispiel: Im September wurden 120 Tonnen an Sturmgewehren, Werfern, Minen und Munition aus ehemaligen sowjetischen Beständen per Frachtflugzeug aus Khartum (Sudan) ins slowenische Maribor transportiert. Die als „humanitäre Hilfe“ deklarierte Ware wurde von dort nach Bosnien gebracht. Finanziert wurde das Kriegsmaterial mit Mitteln aus dem Nahen und Mittleren Osten.

Die TWRA in Wien pflegte auch enge Beziehungen zur „Saudi High Commission for Relief of Bosnia and Herzegovina“ (SHC), welche zwischen 1992 und 2001 alleine 600 Millionen US-Dollar – offiziell für Hilfsleistungen und religiöse Zwecke – bereitstellte. Es gab auch Kontakte zum kürzlich verstorbenen ägyptischen Scheich Abdel Rahman, der in den USA wegen des ersten Anschlags auf das World Trade Center im Jahr 1993 in Haft saß.

Bosnische Mudschaheddin

Die Connection verwundert nicht. Einige tausend Freiwillige aus arabischen Staaten und dem Iran kämpften im Bosnien-Krieg an der Seite der muslimisch-nationalistischen Regierung von Präsident Alija Izetbegović. Auch Osama bin Ladens Al-Kaida stellte Kämpfer. Spätere Attentäter wie Khalid Sheikh Mohammed – Mastermind der Terroranschläge vom 11. September 2001 – sammelten Kampferfahrung in Bosnien.

Was in der Prinz-Eugen-Straße 36 in Wien ablief, blieb den Behörden in Österreich zwar nicht völlig verborgen, mit der nötigen Vehemenz scheinen sie in der Sache aber nicht vorgegangen zu sein. Diesen Eindruck vermitteln allein die zeitlichen Abläufe. Zwar musste Hassanein 1994 Österreich „wegen Missbrauchs der österreichischen Gastfreundschaft“ – so die offizielle Lesart – verlassen (er soll seine Geschäfte aus Istanbul weiter betreiben), und 1995 wurde bei der TWRA auch eine Razzia durchgeführt. Es ging um den Verdacht des Waffenhandels und der Schlepperei. Aber erst sechs Jahre später, im Jahr 2001, ließ die damals für Terrorismusbekämpfung zuständige Sondereinheit EDOK das Agentur-Konto sperren und beschlagnahmte alle sich darauf befindlichen Daten. Geld war, wenig überraschend, keines mehr zu finden, das Konto war leer.

2,5-Milliarden-Dollar-Waschmaschine

Ein Bericht der bosnischen Regierung, der einige Jahre nach Kriegsende – in Zusammenarbeit mit westlichen Geheimdiensten – erstellt wurde, offenbart, dass in den Kriegsjahren über die TWRA 2,5 Milliarden US-Dollar gewaschen wurden. Die Agentur, so wird beschrieben, habe engste Kontakte zu Politikern, „heiligen Kriegern“ und zum Terrornetzwerk bin Ladens gepflegt.

Auch eine Bankverbindung zwischen dem Sudan bzw. der Al Shamal Islamic Bank und Österreich (GiroCredit in Wien) wurde damals publik. Der US-Geheimdienst CIA rechnete die sudanesische Bank bin Laden zu.

Österreich reagierte auf all diese Hinweise mit der Bildung einer Taskforce, bestehend aus Mitgliedern der EDOK, der Oesterreichischen Nationalbank und des Finanzministeriums – und mit einer weiteren Kontosperre. Das Nachrichtenmagazin Profil schrieb im Oktober 2001, die Kontoverbindung in den Sudan lege nahe, dass bin Ladens Al-Kaida Geld nach oder über Österreich transferiert haben dürfte. Die EDOK fand dafür aber keine ausreichenden Verdachtsmomente.

Geldwäsche: Was die Behörden tun

In der Vergangenheit wurden also nachweislich große Summen mit kriminellem Hintergrund über Österreich transferiert – mutmaßlich zur Terrorismusfinanzierung. Und wie sieht es gegenwärtig aus? Im Bundeskriminalamt (BK) in Wien werden sämtliche „Geldwäscheverdachtsmeldungen“ gesammelt. Im Vorjahr wurde laut BK-Geldwäschebericht ein deutlicher Anstieg verzeichnet: 2.150 Verdachtsmeldungen wurden 2016 registriert, 2015 waren es 1.793. Ein Plus gab es auch bei Meldungen im Bereich der Terrorismusfinanzierung (174).

Die Zunahme ist jedoch kein verlässliches Indiz für die tatsächliche Zahl von Geldwäscheaktivitäten in Österreich. Experten gehen davon aus, dass aufgrund des internationalen Drucks – nicht zuletzt durch die bei der OECD angesiedelte „Financial Action Taskforce“ (FATF) – die Aufmerksamkeit gestiegen ist und daher den Behörden auch mehr Verdachtsfälle zugetragen werden.

Die wenigsten Verdachtsmeldungen führen zu Verurteilungen
Lesebeispiel: „Im Jahr 2016 gab es 2.150 Verdachtsmeldungen nach § 165 StGB Geldwäscherei, diese führten zu 46 Anzeigen und 36 Verurteilungen.“ Zentral ist für die Ermittler laut Finanzmarktaufsicht (FMA), woher das Geld stammt und was damit geschieht bzw. geschah. Aus welchem Land wurde es transferiert? Wem gehört es? Sind in irgendeiner Form politisch exponierte Personen involviert? Ist das jeweilige Geschäft in seiner Struktur auffällig? Die Antworten auf diese Fragen entscheiden, ob aus einem Hinweis ein Fall für die Behörden wird, der am Ende vor Gericht landet (siehe Grafik).

Zentral ist für die Ermittler laut Finanzmarktaufsicht (FMA), woher das Geld stammt und was damit geschieht bzw. geschah. Aus welchem Land wurde es transferiert? Wem gehört es? Sind in irgendeiner Form politisch exponierte Personen involviert? Ist das jeweilige Geschäft in seiner Struktur auffällig? Die Antworten auf diese Fragen entscheiden, ob aus einem Hinweis ein Fall für die Behörden wird, der am Ende vor Gericht landet.

Woher kommen Hinweise? Wer liefert den Ermittlern die nötigen Ansatzpunkte, um verdächtigen Geldflüssen nachgehen zu können? Das sind vor allem meldepflichtige Institutionen (Banken, Versicherungsunternehmen, Wertpapierfirmen) und meldepflichtige Berufsgruppen (Rechtsanwälte, Notare, Wirtschaftstreuhänder, Gewerbetreibende wie z.B. Juweliere). Berufsgruppen wie Banker oder Anwälte sind gesetzlich verpflichtet, die Behörden einzuschalten, wenn sie Indizien für Geldwäsche haben.

Ein Blick in die Statistik zeigt allerdings eine bemerkenswerte Asymmetrie: Während Banken im vergangenen Jahr 2.002 Verdachtsmeldungen erstatteten, kamen nur 19 von Rechtsanwälten, Notaren und Wirtschaftsprüfern. Experten vermuten, ein Grund für dieses Missverhältnis könnte sein, dass Banken und ähnliche Institutionen einer strengen Aufsicht durch die FMA unterliegen, die erwähnten Berufsgruppen aber nicht.

Von den 2.150 Verdachtsmeldungen im Jahr 2016 konnten letztlich nur 46 Sachverhalte (zwei Prozent) an die Staatsanwaltschaft übermittelt werden. Das liegt daran, dass es aufgrund der internationalen Verschachtelungen und Verflechtungen der infrage kommenden Konstruktionen äußerst schwierig ist, ausreichend Indizien und Belege für Geldwäscherei zu finden. Hinzu kommt aber vor allem, dass die Behörden nur dann überhaupt ermitteln können, wenn eine „Vortat“ vorliegt. Das heißt, es muss feststehen, dass das Geld aus einer kriminellen Handlung stammt. Dementsprechend selten kommt es daher zu Verurteilungen nach den Geldwäsche-Bestimmungen. 2016 waren es nur 36.

Umkehrung der Beweislast

Um die gerichtliche Verfolgung effizienter zu gestalten, schlagen Kriminalisten vor, die Beweislast umzukehren. Das würde bedeuten, ein Verdächtiger oder eine verdächtige Gruppe müsste nachweisen, dass die relevanten Summen aus legalen Quellen bzw. Geschäften stammen. Vergleichbare Regelungen wurden im Zuge der Mafiabekämpfung in Italien umgesetzt.

Ein zentrales Problem sind Briefkastenfirmen. Die flexible internationale Offshore-Industrie und das Fehlen zentraler Register, die Auskunft über die wirtschaftlich Begünstigten von Unternehmen geben könnten, machen die Ermittlungen besonders schwierig. Die Schaffung eines EU-weiten Registers, das offenlegen würde, wem Unternehmen wirtschaftlich zuzurechnen sind, scheiterte bisher daran, dass nicht alle 28 EU-Staaten bereit sind, mitzumachen. Das Problem ist die Grundsatzentscheidung zwischen Transparenz und Datenschutz.

In Österreich gibt das Firmenbuch zwar einen recht guten Einblick über einen Großteil der Unternehmen, allerdings existieren auch hierzulande noch Ausnahmen. Vermögen jeglicher Art kann nach wie vor auf einen selbstständigen und eigentümerlosen Rechtsträger, nämlich eine Stiftung, übertragen werden. In der Stiftungsurkunde muss zwar der Stifter genannt werden, der Begünstigte aber nicht. Somit erfahren Behörden und Öffentlichkeit nicht zwingend, wem die Mittel aus der Stiftung zugute kommen. So kann eine Stiftung zum gesetzlich legitimierten Verschleierungskonstrukt werden. Aktuell gibt es rund 3.300 Privatstiftungen in Österreich.

Experten-Blick von außen

Die Financial Action Task Force (FATF) entwickelt Standards zum Schutz des globalen Finanzsystems, um Geldwäscherei bzw. die Terrorismusfinanzierung unterbinden zu können. Seit Juni 2000 veröffentlicht sie auch eine Liste mit NCCT-Ländern (non-cooperative countries and territories) und Regionen, um aufzuzeigen, wo es an Rechtsvorschriften mangelt und somit nichts bzw. nicht genug gegen Geldwäsche getan wird.

Österreich attestierte die FATF in ihrem Bericht vom September 2016 grundsätzlich zwar einen soliden rechtlichen und institutionellen Rahmen zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorfinanzierung. Kritisiert wird allerdings, dass jede Behörde in Österreich ein eigenes Konzept zu Geldwäsche und Terrorfinanzierungsrisiken hätte. Das wirke weder koordiniert noch kompatibel. Bekrittelt wurde von den Prüfern unter anderem, dass Österreich seine Geldwäschebekämpfung nicht so priorisieren würden, wie es einem internationalen Finanzzentrum entspräche. Daher wurde das Land in zwei von elf „Beurteilungen zur Effektivität“ mit „low“ (niedriger Standard) eingestuft – und in 14 von 40 „Technischen Beurteilungen“ nur als „teilweise entsprechend“ (vorletzte Stufe).

TERRORISMUS auf SPARTANAT: 

Teil 1:Verbrecher, Helden, Freiheitskämpfer

Teil 2: Die Geschichte des Terrors in Europa, visualisiert

Teil 3: Was ist neu am neuen Terror? 

Teil 4: Der Deutsche Herbst 1977

Teil 5: Kleines Lexikon der Dschihadistenkultur

Teil 6: Für Haus und Frau in den Dschihad

Teil 7: Hinterland Österreich

More to come …

Dieser Artikel wurde zuerst am 6. Oktober 2017 auf ADDENDUM veröffentlicht. Copyright Text: ADDENDUM. Grafiken: Addendum, Archiv.

ADDENDUM im Internet: www.addendum.org