Paris, London, Berlin: In den vergangenen Jahren sind in Europa hunderte Menschen islamistischem Terror zum Opfer gefallen. Aber: War früher wirklich alles besser? Eine Analyse der weltweit umfangreichsten Terrorismus-Datenbank aus europäischer Perspektive.
Mit dem Bus in die Menschenmenge. Mit der Sprengstoffweste in die U-Bahn-Station. Mit dem Messer in der Innenstadt gegen einen Polizisten: Der Terrorismus hat in den vergangenen Jahren unterschiedlichste Formen angenommen. Ein neues Phänomen ist er aber nicht. Von 1970 bis 2016 haben in Europa etwa 4.280 Anschläge stattgefunden. Dabei sind etwa 5.700 Menschen getötet und etwa 16.400 Menschen verletzt worden. Das zeigt eine Datenanalyse der Global Terrorism Database, die von Forschern der Universität von Maryland (USA) jährlich erstellt wird.

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In den vergangenen 46 Jahren gab es demnach immer wieder Zeiträume, in denen die europäische Bevölkerung von Terrorwellen heimgesucht wurde. Geografisch konzentrieren sich Anschläge auf drei Länder: 61 Prozent aller getöteten und verletzten Personen sind in Großbritannien (20 %), Spanien (27 %) und Frankreich (14 %) zu beklagen. Vor allem in Nordirland, dem Nordosten Spaniens sowie in London, Madrid und Paris häufen sich terroristische Vorfälle. Die Motive und Ideologien der Attentäter unterscheiden sich von Region zu Region.

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In Nordirland und dem Nordosten Spaniens dominieren Anschläge der Irisch-Republikanische Armee und von „Euskadi Ta Askatasuna“ – beide sind unter ihren Kürzeln IRA bzw. ETA besser bekannt. Sie versuchten auf die Unabhängigkeit ihrer Region mit terroristischen Mitteln zu drängen.
Diese Form des Terrors ist zur Seltenheit geworden. Von der Gesamtopferzahl des ethno-nationalistischen Terrors sind 92 Prozent der Zeit vor 2000 zuzuschreiben. In den dreißig Jahren vor der Jahrtausendwende war er europaweit für etwa 9.200 von etwa 16.000 Terroropfern (58 %) verantwortlich.

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Auch rund 2.500 der 4.300 Anschläge vor dem Jahr 2000 sind ethno-nationalistischem Terror zuzurechnen. Danach pendelt die Zahl der Terroranschläge in Europa generell auf niedrigerem Niveau im Vergleich zu den 70er, 80er und 90er Jahren. Neun Prozent aller terroristischen Vorfälle seit 1970 haben sich seit der Jahrtausendwende ereignet.

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Aber: 27 Prozent aller Opfer sind in der jüngeren Periode zu beklagen. Ein Schluss daraus ist, dass Anschläge zwar seltener sind, aber dann mehr Tote und Verletzte nach sich ziehen. In Europa sind Anschläge mit Sprengstoff für die meisten Toten und Verletzten verantwortlich. Dieser Angriffsform sind zwei Drittel aller Verletzten und Toten in den vergangenen 46 Jahren zuzurechnen. Angriffe mit Schusswaffen, wie etwa in Paris, sind nach gezielten Tötungen oder deren Versuch der dritthäufigste Angriffstyp.

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Dieses Schema zeigt sich nicht nur in Europa, sondern auch bei Analyse der Terrorzahlen auf weltweiter Ebene seit 1970. Daraus geht auch hervor, dass 42 Prozent der global rund 690.000 Terroropfer in drei Ländern zu beklagen sind: Afghanistan, Pakistan und dem Irak.

Der Anteil von Europa: 3 Prozent.

Über die Kategorisierung der Ideologien

Addendum hat die ideologischen Hintergründe aller Terrorgruppen, die in Europa Menschen verletzt und/oder getötet haben, recherchiert und in Kategorien eingeteilt. Die Kategorien entsprechen jenen von Rothenberger & Müller (2015), sind jedoch um rechtsgerichteten Terror erweitert.

  • Religiös: umfasst alle Terrorgruppen mit religiös fundamentalistischen Motivationen. Diese Form des Terrorismus ist in der Geschichte aller Weltreligionen zu finden, die aktuell gewalttätigste Form ist der islamistische Terror.
  • Ethno-nationalistisch: umfasst Terrorgruppen, die eine Minderheit oder eine unterdrückte Gruppe der Bevölkerung darstellen und deren Hauptziel ein eigener Staat oder eine andere Form politischer Autonomie ist. Da diese Gruppen oft die Bedeutung ihrer eigenen Kultur betonen, die sie durch Modernisierung, Migration oder den wachsenden Zentralstaat bedroht sehen, ist eine scharfe Trennung zu rechtsgerichtetem Terror teilweise schwer durchführbar.
  • Links: umfasst alle Terrorgruppen, die sich ausdrücklich oder implizit auf Karl Marx und historisch nachfolgende Ideologien berufen. Diese Gruppen wollen eine radikale Reformation politischer und sozialer Strukturen. Diese wollen sie durch bewaffneten Widerstand gegen Kapitalismus, Imperialismus und globale Ungleichheit durchsetzen.
  • Rechts: umfasst alle Gruppen, die ihre Herkunft und Kultur durch andere Bevölkerungsgruppen bedroht sehen und/oder ein faschistisches Gesellschaftsmodell mit Gewalt durchsetzen wollen. Zusätzlich werden in dieser Kategorie alle Vorfälle erfasst, deren Tätergruppen zwar unbekannt sind, sich jedoch gegen eindeutige Ziele wie Asylwerberheime richten.

Die Einteilung mancher Terrorgruppen in nur eine dieser Kategorien ist schwierig. Manche haben mehr als eine Motivation. Der „Islamische Staat“ ist zum Beispiel zwar hauptsächlich religiös motiviert. Er hat aber auch das Ziel eines eigenen Staates und könnte deshalb auch als ethno-nationalistisch bezeichnet werden.

Das Bildkonzept:

Für die Bebilderung unseres Projekts haben wir einen MAN TGL 8.18 12t Lastkraftwagen mit Kofferaufbau an prominenten Plätzen Österreichs festgehalten, da in letzter Zeit ähnliche Fahrzeugtypen als Waffen bei diversen Terroranschlägen in Europa verwendet wurden. Schließlich ist die Frage, die wir uns stellen: Müssen wir mit Terror leben lernen? Und zwar eben auch in Österreich. 

ADDENDUM Artikelserie zum Thema Terroismus auf SPARTANAT: 

Teil 1: Verbrecher, Helden, Freiheitskämpfer

Teil 2: Die Geschichte des Terrors in Europa, visualisiert

More to come …

Dieser Artikel wurde zuerst auf ADDENDUM veröffentlicht. Copyright Text: ADDENDUM. Bilder: ADDENDUM. Videobeiträge, Grafiken und Audiobeiträge: ADDENDUM.

ADDENDUM im Internet: www.addendum.org