Am 18. Oktober 1977 stürmen in Mogadischu Mitglieder der Grenzschutzgruppe 9 eine Tage zuvor entführte Lufthansa Maschine. Zuvorderst dabei Ulrich K. Wegenner. Dieser Einsatz machte den Gründer und ersten Kommandanten der ersten deutschen Anti-Terror-Einheit zur Legende. Am 28. Dezember 2017 starb 88-jährig der legendäre spätere General des Bundesgrenzschutzes. Kaj-Gunnar Sievert porträtiert den „Vater der Neuner“.

Ulrich Klaus Wegener kam am 22. August 1929 in brandenburgischen Jütebog, südlich von Berlin, auf die Welt. Sein Vater war ein Offizier in der Reichswehr und diente zeitweise auf einem nahe gelegenen Truppenübungsplatz. 16-jährig hatte er gegen Ende des Krieges und während des Abwehrkampfes der Wehrmacht gegen die Rote Armee um Berlin das Glück, nicht in den Volkssturm eingezogen zu werden. Die Erfahrungen des Kriegs haben ihn jedoch stark geprägt.

Nach seinem Abitur 1950 geriet er in die Fänge der SED und kam als politischer Häftling für 18 Monate ins Gefängnis. Seine Verbrechen: Verteilung von Flugblättern, in denen er die SED kritisierte hatte.

Nach seiner Freilassung flüchtete er nach Westberlin und kam über Umwege zur Polizei in Baden-Württemberg. Da Wegener jedoch Offizier werden wollte, wechselte er 1958 in den Bundesgrenzschutz und wurde 1959 Leutnant. Es folgten Versetzungen an der Innerdeutschen-Grenze, Ausbildungen, Versetzungen – auch als Verbindungsoffizier bei der Nato – und Stabsfunktionen.

1970 folgte schliesslich die Versetzung, die sein Leben und sein Tun prägen sollte. Wegener wurde als Verbindungsbeamter ins Innenministerium versetzt. Im Gespräch mit dem Autor umschrieb er seine Funktion als „Adjutant von Genscher“. Die beiden Männer verstanden sich gut und erlebten hautnah in der Nacht des 5. September 1972 auf dem Militärflugplatz Fürstenfeldbruck bei München die desaströse Befreiungsaktion der Polizei. Mehrere Menschen fanden dabei im Kugelhagel den Tod.

Wegener hat mit seiner Arbeit die Grundlage für eine Einheit gelegt hat, die weltweit zur absoluten Spitze gehört und Vorbild für andere Staaten wurde.

Wenige Tage danach erhielt der damals 43-jährige Bundesgrenzschutz-Oberleutnant den Auftrag eine Einheit aufzustellen, um dem Staat ein Mittel in die Hand zu geben, solche Misserfolge in Zukunft zu verhindern: die GSG9.

Wegener machte sich sofort mit der ihm eigenen Konsequenz an die Arbeit. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland nichts Vergleichbares. Er suchte sich seine Männer persönlich aus. Er analysierte vergangene Fallbeispiele und den Gegner. Er testete zusammen mit seinem Team Ausrüstungen und Einsatztaktiken. Schrittweise bauten sie die Einheit auf. Er dachte von Beginn an ausserhalb des üblichen Rahmens. Eine solche Haltung wurde in den Mit-Siebzigern nicht überall gleich gut aufgenommen. Für einige Bundesländer war die Idee einer hochspezialisierten Anti-Terror-Einheit auf Bundesebene nicht passend. Man befürchtete Einfluss auf Länderebene und wollte Einsätze lieber mit eigenen Teilzeit-Einheiten abdecken.

Um seine Einheit auf den höchsten Ausbildungsstandard zu bringen, absolvierte Ulrich K. Wegener auch Trainings und Kurse mit ausländischen Spezialeinheiten. Bemerkenswert und in Deutschland auch nicht überall gleich positiv aufgenommen, war die Möglichkeit von den Erfahrungen israelischer Spezialeinheiten profitieren zu können. Wenige Jahre nach dem Desaster von Fürstenfeldbruck und dem Tod von neun israelischen Sportlern war Wegener der erste Deutsche mit Zugang zu diesen Einheiten. Später sagte er zu dieser Zeit, dass er sich den Respekt der Israelis zuerst hätte verdienen müssen, aber als sie ihn einmal akzeptiert hatten und sahen, was er konnte, sei es kein Thema mehr gewesen. Wegener war 1976 zum Zeitpunkt der Befreiungsaktion der Israelis in Entebbe, Uganda, auch vor Ort.

Nachruf der Bundespolizei auf FB

Nach Jahren des Trainings und aber auch in einer Zeit des Hinterfragens kam mit der Operation „Feuerzauber“ am 18. Oktober 1977 im somalischen Mogadischu die Bewährungsprobe. Nachdem Wegener mit seiner Männer der entführten „Landshut“ tagelange nachgeflogen war, folgte in der Nacht der Zugriff. Am Schluss waren drei der vier Terroristen tot, alle Geiseln befreit und Wegener führt die Aktion von vorne. Der damalige Bundeskanzler Helmut Schmid legte sein politisches Schicksal in die Hände der Männer der GSG-9.

Wegener wurde als Held gefeiert und wehrte sich zeitlebens dagegen „als Held von Mogadischu“ bezeichnet zu werden. Sie hätten alle die Arbeit gemeinsam getan. Anfängliche Absichten nur ihm das Bundesverdienstkreuz zu überreichen, lehnte er kategorisch ab.

Später wurde Wegener zum General befördert und blieb zeitlebens ein gefragter Anti-Terror- und Sicherheitsexperte.

Wegeners Vermächtnis

Das Vermächtnis von Wegener für Deutschland ist, dass er mit seiner Arbeit die Grundlage für eine Einheit gelegt hat, die weltweit zur absoluten Spitze gehört und Vorbild für andere Staaten wurde. Er hat dem Staat ein Mittel geschaffen, das in einer unsicheren Zeit mit den Gefahren des Terrorismus und der Schwerstkriminalität den letzten Trumpf darstellt, wenn alle Verhandlungen gescheitert oder gar nicht möglich sind.

Ulrich K. Wegener hat Deutschland um einen Teil sicherer gemacht.

Die GSG9 der Bundespolizei im Internet

KAJ-GUNNAR SIEVERT, Jahrgang 1965, arbeitet seit 2001 in verschiedenen Funktionen im Bereich der Kommunikation innerhalb des Schweizer Verteidigungsdepartements. Gegenwärtig ist er Leiter Kommunikation der armasuisse, dem Beschaffungs- und Technologiezentrum des Ministeriums. Sievert hat einen Abschluss in Psychologie, Betriebswirtschaftslehre und Publizistikwissenschaften an der Uni Zürich. Der ehemalige Printjournalist schreibt regelmässig für schweizerische und ausländische Fachzeitschriften und -magazine Beiträge über militärische Themen. Er begleitete mehrfach Einheiten und Besatzungen verschiedenster Armeen und Teilstreitkräfte bei ihren Einsätzen in unterschiedlichen Regionen der Welt. Sievert ist ehemaliger Kommandant der Fallschirm Aufklärer Kompanie 17, einer Fallschirm-Spezialeinheit der Schweizer Luftwaffe, über die er auch ein Buch geschrieben hat (HIER klicken). Er diente von 1987 bis 2000 in der Einheit, zuletzt als deren Kommandant – HIER sein Interview „Der Trend zu Special Forces wird anhalten“. Der Autor ist auch auf Facebook.