Spezialkräfte kommen weltweit zum Einsatz. Die Amerikaner aber sind die Meister der Special Operation Forces (SOFs). Der Schweizer Fachbuchautor Kaj-Gunnar Sievert beschreibt in seinem Buch „Überall und Jederzeit“ (HIER unsere Buchbesprechung) die verschiedenen SOFs aus den USA in ihrer Praxis. Sievert, selber ehemaliger Kommandant der Schweizer Eliteeinheit Fallschirm Aufklärer Kompanie 17, kommt ebenfalls aus dieser SOF Praxis. SPARTANAT hat ihn zum Interview eingeladen und wollte wissen, wie sich die zukünftige Rolle der Spezialkräfte verändern wird.

SPARTANAT: Ihr Buch heißt „„Überall und jederzeit““ und präsentiert „US Special Forces im Einsatz“. Können die Amerikaner wirklich überall und jederzeit sein?

Kaj-Gunnar Sievert: Natürlich nicht. Tatsache hingegen ist, dass die Amerikaner als einzige Weltmacht über die Möglichkeit verfügen, überall und innert kürzester Zeit mit zivilen und militärischen Mitteln –- und dazu zählen auch Special Operation Forces (SOF) – – ihre Interessen wahrzunehmen und durchzusetzen. Ihre verschiedensten, hochmodernen Sensoren und Systeme erlauben es ihnen, auch Gebiete in ihrem Interessengebiet (fast) konstant zu überwachen und wenn nötig geeignete Mittel zu entsenden.

SPARTANAT: Die gewählten Beispiele sind sehr unterschiedlich: Was verbindet eine Rettung aus einem Sturm durch ParaRescueJumpers (PJ) mit dem Versenken von Noriegas Fluchtboot oder der Tötung Bin Ladens?

Kaj-Gunnar Sievert: Obwohl die beschriebenen Einsätze komplett verschiedenen sind, haben sie einige Gemeinsamkeiten: Den Umstand alles zu unternehmen –- letztlich auch zu riskieren -– um ein Einsatz erfolgreich durchzuführen; der sehr hohe Ausbildungsstand; der Einsatz modernster Mittel; das Einfliessen der Erfahrungen aus früheren Einsätzen in die Ausbildung, die Ausrüstung und die Planung; die sehr hohe Identifikation der Angehörigen der unterschiedlichen Einheiten zum Auftrag. Letztendlich: Die Erkenntnis, dass gewisse Aufgaben nur von Spezialeinheiten gelöst werden können. Die Fallbeispiele aus meinen Büchern habe ich nach meinen persönlichen Präferenzen gewählt, wobei ich auch darauf achte, dass unter ihnen bekannte, weniger bekannte, erfolgreiche und gescheiterte Operationen zu finden sind.

SPARTANAT: Special Forces sind zur Zeit sehr modern. Was macht sie so spezial?
Kaj-Gunnar Sievert: Ich glaube nicht, dass SOF gegenwärtig besonders „modern“ oder/und „en vogue“ sind. Schon im Altertum wurden spezialisierte Formationen aufgestellt und eingesetzt. Seit jeher muss der Einsatz von Spezialkräften in Abhängigkeit der Rahmenbedingungen und Möglichkeiten gesehen werden. Mit der Verschiebung von symmetrischen (also Staat gegen Staat) zu einem asymmetrischen Krieg (Staat gegen Gruppierungen) haben sich auch die Anforderungen an Spezialkräfte verschoben. Aus meiner Sicht sind SOF die richtige Antwort auf die gegenwärtigen Anforderungen an asymmetrische Kriege oder an Einsätze unterhalb der Kriegsschwelle. Weiter hat sich spätestens seit Desert Storm das Verständnis innerhalb der Politik und der Armeeführung über die Notwendigkeit solcher Einheiten geändert.

Menschen sind wichtiger als Ausrüstungen, Qualität ist wichtiger als Quantität.

SPARTANAT: Manchmal hat man heutzutage sogar den Eindruck „„Special“ ist das neue Normal“. Wozu braucht man noch reguläre Truppen, wenn Special Forces alles
können?
Kaj-Gunnar Sievert: Um einen einzelnen Einsatz, eine grössere Operation oder gar einen Konflikt/Krieg erfolgreich führen und bestehen zu können, ist der gesamtheitlicher Mitteleinsatz entscheidend. Die politischen Überlegungen und Rahmenbedingen einmal aussen vor gelassen, bringt nur der Einsatz aller militärischen Mittel, Einheiten und Systeme zum richtigen Zeitpunkt Erfolg. In dieser Gesamtheit sind die SOF zwar ein wichtiger, aber lediglich ein Teil davon. Ein Blick auf die fünf Wahrheiten der Spezialeinheiten zeigt ebenfalls, dass es auch weiterhin „reguläre Truppen“ braucht:
1.    Menschen sind wichtiger als Ausrüstungen.
2.    Qualität ist wichtiger als Quantität.
3.    SOF können nicht in Massen aufgestellt werden.
4.    Fähige SOF können nicht erst im Notfall geschaffen werden.
5.    Die meisten SOF-Einsätze benötigen die Unterstützung von konventionellen Truppen.
Richtig und rechtzeitig eingesetzt, sind SOF ein echter Force Multiplier in jeder und für jede Armee.

SPARTANAT: Sie beschreiben die einzelnen Einsätze sehr genau: Was soll der Profi daraus lernen, was der interessierte Laienleser?
Kaj-Gunnar Sievert: Das Interesse an Sonderoperationen ist nach wie vor sehr gross und es gibt eine ganze Reihe von sehr guten Büchern über die verschiedenen SOF-Thematiken. Bücher der Art, wie meine Serie von bisher drei publizierten Büchern über Analysen von Einsätzen von Spezialeinheiten, sind hingegen eher selten. Mit meinem militärischen Hintergrund und meinen Erfahrungen sowie aus Gesprächen mit Angehörigen von Spezialeinheiten bin ich der Auffassung, dass noch mehr als bisher aus den durchgeführten Einsätzen gelernt werden kann.
Der Profi, ob Angehöriger einer Spezialeinheiten oder eines regulären Verbandes, – kann aus meinen Büchern erfahren, wie andere Einheiten Aufträge ausgeführt haben; wie sie die Rahmenbedingungen aufgenommen und berücksichtigt haben; welche Aspekte in der Planung nicht berücksichtigt wurden und welche Auswirkungen das Vorgehen allenfalls hatten; welcher Mitteleinsatz nötig war.
Der interessierte Leser erfährt aus meinen Büchern, Sachverhalte zur SOF-Thematik – also schwergewichtig Details der Planung, der Durchführung und der Analyse von Einsätzen; dass Angehörige von Special Forces in letzter Konsequenz keine Superhelden sind und auch Verluste geschehen, wie die misslungene Geiselbefreiungsoperation am 12. Januar 2013 in Somalia brutal in Erinnerung ruft.
Ich hoffe natürlich, dass beide Lesergruppen spannende Lesestunden mit den Fallbeispielen verbringen können und sie Lust bekommen, auch meine bisherigen aber auch meine zukünftigen Bücher zu kaufen.

SPARTANAT: Glauben Sie, dass der Trend zu mehr Special Operation Forces anhalten wird?
Kaj-Gunnar Sievert: Davon bin ich fest überzeugt.

SPARTANAT: Sie beschreiben das Ende Bin Ladens so, als ob der Plan ohne Fehler funktioniert hätte. Sie halten auch fest, dass man zum Zeitpunkt des Schreibens noch nicht alles gewußt hat. Trotzdem: Woher kommen so genaue Informationen?
Kaj-Gunnar Sievert: Es war bisher immer so, dass nach einer Operation mehr und mehr Information den Weg in die Öffentlichkeit fand. Das war auch bei NEPTUNE’S SPEAR der Fall. Doch wie schreibe ich meine Bücher und welche Fallbeispiele interessieren mich? Die Faustregel „90-9-1“ besagt, dass 90 Prozent der Informationen öffentlich sind, weitere 9 Prozent an Informationen sind mittels dem notwendigen Fachwissen sowie einer guten Auswertung erreichbar und die restlichen ein Prozent sind wirklich klassifiziert. Das heisst nur mit Insiderwissen der Beteiligten abrufbar. In meinen Büchern versuche ich die 90 Prozent Informationen richtig auszuwerten und mit meiner Expertise sowie mit kritischem Hinterfragen (auch im Gedankenaustausch mit anderen Spezialisten) ein Mehrwert für meine Leserschaft zu generieren.

KAJ-GUNNAR SIEVERT, Jahrgang 1965, arbeitet seit 2001 in verschiedenen Funktionen im Bereich der Kommunikation innerhalb des Schweizer Verteidigungsdepartements. Gegenwärtig ist er Leiter Kommunikation der armasuisse, dem Beschaffungs- und Technologiezentrum des Ministeriums. Sievert hat einen Abschluss in Psychologie, Betriebswirtschaftslehre und Publizistikwissenschaften an der Uni Zürich. Der ehemalige Printjournalist schreibt regelmässig für schweizerische und ausländische Fachzeitschriften und -magazine Beiträge über militärische Themen. Er begleitete mehrfach Einheiten und Besatzungen verschiedenster Armeen und Teilstreitkräfte bei ihren Einsätzen in unterschiedlichen Regionen der Welt. Sievert ist ehemaliger Kommandant der Fallschirm Aufklärer Kompanie 17, einer Fallschirm-Spezialeinheit der Schweizer Luftwaffe, über die er auch ein Buch geschrieben hat (HIER klicken). Er diente von 1987 bis 2000 in der Einheit, zuletzt als deren Kommandant. Seine Website ist hier. Der Autor ist auch auf Facebook.