Stell dir vor, es ist Krieg, und alle schauen hin. Das heißt dann noch längst nicht, dass sie mehr verstehen. Propaganda, ungefilterte Informationen, Falschinfos und einfach der „Fog of War“ machen realistische Lagebeurteilungen schwer. Torsten Heinrich betreibt den YouTube-Kanal MILITÄR & GESCHICHTE und analysiert den Ukraine-Krieg seit Anbeginn mit Open-source-Quellen so akribisch wie möglich. Unter anderem mit Lageberichten – wir linken ein Beispiel im Interview. Das Aufmacherbild ist ein ein Fan-Meme dazu.

SPARTANAT: Torsten, mit deinem Kanal MILITÄR & GESCHICHTE begleitest und erklärst du den Ukraine Krieg. Warum tust Du Dir das an?

Torsten Heinrich: Aufrichtiges Interesse. Mein Interesse für Militär, Waffentechnik, Streitkräfte, Konflikte und Militärgeschichte habe ich, seitdem ich neun Jahre alt bin. Dieses Nischenthema fasziniert mich also seit 30 Jahren, auch wenn eine Beschäftigung damit in Deutschland weitgehend verpönt gewesen sein mag. Ich habe nicht viel anderes zum zweiten Bergkarbach-Krieg gemacht, nur dass ich damals lediglich schriftlich auf meiner Facebook Timeline das ganze kommentiert habe, statt Videos zu machen. Entsprechend hat das damals fast kein Publikum gefunden.

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Regelmäßig gibt es Lageberichte für die Torsten möglichst viele Quellen auswertet.

SPARTANAT: Du sitzt eigentlich in Mittelamerika und machst eine Art frei zugänglicher OSINT – Open Source Intelligence. Was sind Deine Quellen? Was kann man alles lernen und erfahren?  

Ich verbringe fast meine gesamte wache Zeit damit, all die Quellen und Kanäle der Teilnehmer, Beobachter und Propagandisten dieses Konflikts zu durchforsten. Ich habe vermutlich die 25 populärsten pro-russischen Kanäle auf telegram abonniert, eine Unmenge Kanäle auf YouTube, Twitter und beispielsweise reddit. Ich folge Vertretern und Politikern beider Seiten, unzähligen Open Source Aggregatoren, OSINT Analysten, Journalisten vor Ort und natürlich auch diversen think Tanks und Experten weltweit.

Die Mischung aus dem Abgleich der Aussagen beider Seiten hilft einem beim Ermitteln der Wahrheit, der Input der OSINT-Analysten hilft bei dem Beleg der Fakten und die Kommentierung durch Experten und Think Tanks hilft bei der Bewertung. In diese Mischung der Informationen lasse ich anschließend meine 30 Jahre Beschäftigung mit dem Thema, sowie meine im Studium der Geschichte erlernte Fähigkeit der Quellenkritik einfließen, um ein möglichst akkurates Bild der Lage zu erhalten und dieses möglichst kompetent zu bewerten. Der Umstand, dass ich mich eben seit Jahrzehnten mit Technik, Taktik, Strategie aber auch einfach nur den entsprechenden Termini beschäftige, macht sicherlich einen Teil dessen aus, weshalb meine Zuschauer meinen Kanal MILITÄR & GESCHICHTE so schätzen.

SPARTANAT: Der Ukraine Krieg ist auch ein Krieg der Öffentlichkeit. Wie erlebst Du Dein Publikum? Wer hält zur Ukraine, wer zu den Russen?

Persönlich gehe ich aus Gründen der Transparenz relativ offen damit um, dass auch ich in diesem emotionalen Thema nicht neutral sein kann. Ich kommuniziere offen, dass ich pro-ukrainisch eingestellt bin. Selbstverständlich entbindet mich dies jedoch nicht von einer Sorgfaltspflicht und es führt nicht dazu, dass ich beginne, mich selbst zu belügen und anschließend mein Publikum. Schwächen, aber auch Verbrechen von der ukrainischen Seite thematisiere ich folglich natürlich auch, meine pro-ukrainischen Zuschauer verärgere ich immer Mal wieder, wenn ich es beispielsweise gewagt habe, auf Bandera und den Umgang mit seiner Erinnerung in der Ukraine einzugehen oder bei gezeigten Kriegsverbrechen nicht automatisch der ukrainischen Version aufs Wort glaube.

„Ich bemühe mich darum, die Zuschauer nicht zu belehren oder zu bekehren, sondern so gut wie möglich bei der Wahrheit und den Fakten zu bleiben.“

Generell halte ich es also für wichtig, dass MILITÄR & GESCHICHTE Zuschauer wissen, wie ich denke, um ihnen wiederum die Quellenkritik zu erleichtern. Das bedeutet jedoch nicht, dass ich nicht mein Möglichstes tun würde, umso objektiv wie eben möglich zu sein. Entsprechend freut es mich auch, dass ein nicht unsubstanzieller Anteil meiner Zuschauer sehr wohl pro-russisch sind und dennoch treue Zuschauer sind, die teilweise sogar den Kanal aktiv unterstützen. Ich bemühe mich darum, die Zuschauer nicht zu belehren oder zu bekehren, sondern so gut wie möglich bei der Wahrheit und den Fakten zu bleiben. Dies scheint mir zumindest ein Stück weit zu gelingen, was die pro-russischen Zuschauer belegen.

Was das Publikum angeht, ist es natürlich überwiegend männlich, generell eher etwas älter und mit einem hohen Anteil an ehemaligen und aktiven Soldaten. Gleichzeitig aber auch Zivilisten die selbst bekennen, es früher nie für möglich gehalten zu haben, einmal einem „Militär-Youtuber“ zu folgen. Politisch ist von sehr weit rechts bis sehr weit links ebenfalls alles dabei. Am Ende interessiert es alle. Dass ich auf Befindlichkeiten keine Rücksicht nehme, sondern mich um eine möglichst akkurate Bewertung bemühe, weiß der überwiegend reife Teil meiner Zuschauer auf Dauer sehr zu schätzen.

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Und immer wieder kommen spezielle Schwerpunkte dazu, bei denen Themen spannend von Torsten erklärt werden.

SPARTANAT: Woher kommt Dein persönliches Engagement für diese Arbeit? Was sollen wir von Dir lernen?

Als ich Geschichte studiert habe, habe ich mich bewusst dagegen entschieden, Lehrer zu werden. Die Vorstellung, dass ich vor 30 Schülern sitze, die es nicht interessiert, was ich zu sagen habe, war furchtbar. Jetzt bin ich am Ende doch eine Art Lehrer geworden, nur dass ich vor einem Publikum sitze, das sich tatsächlich für meine Aussagen interessiert. Meine Beschäftigung aus purem Interesse hat zu einem breiten Wissensstand geführt, der mich sicherlich weit davon entfernt lässt, ein Experte auf jedem einzelnen Gebiet zu sein, aber eben auch weit von einem Fachidiot entfernt sein lässt. Ich hoffe also, mein Interesse auf eine interessante und teilweise auch unterhaltsame Art und Weise zusammenzufassen und damit einem breiten Publikum einen Zugang zu doch einem sehr speziellen Thema zu ermöglichen. Dass mein Videokanal MILITÄR & GESCHICHTE nun rasant wächst, stellt es nun tatsächlich in Aussicht, dass ich meine Berufung zugleich auch zum Beruf machen kann. Mit seinem Hobby auf Dauer sein Lebensunterhalt verdienen zu können, ist natürlich ein Traum.

Was man von mir lernen soll? In welcher Hinsicht? Essen sie gut und heben sie schwere Gewichte hoch? Das wäre auf jeden Fall ein guter Ratschlag!?

SPARTANAT: Gibt es für Dich bereits eine Bilanz zu diesem Krieg? Oder reicht Dir der sehr spannende Blick ins Detail?

Für eine generelle Bilanz ist es natürlich noch viel zu früh. Es ist ohne weiteres möglich, dass dieser Krieg noch mindestens ein Jahr dauert, durchaus auch noch merklich länger.

Klar ist jedoch, dass die sogenannte „zweitstärkste Armee der Welt“ sich auf blamable Art und Weise demaskiert hat.

TORSTEN HEINRICH, 40, beschäftig sich „mit dem Thema seitdem ich neun Jahre alt bin, natürlich mit steigender Intensität und steigender Kompetenz“. Er hat einen Magister Artium in Geschichte und europäischer Ethnologie, sowie Politologie und Archäologie studiert, das allerdings ohne Abschluss. Er hat ein paar Unternehmen gegründet, ein paar Bücher geschrieben und wohnt seit November 2017 in Panama.

Wer Torsten bei seiner Arbeit unterstützen will: HIER geht es direkt zu seinem Patreon.

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