Helikopterexperte Christian Rastätter hat Glück: er darf an den AH-64 Apache ran – HIER haben wir sein Buch über den deutschen Spezialkräfte-Heli H145M vorgestellt. Mit dem Neuen topt er das noch einmal: sein Standardwerk über den Apache AH-64 ist eben erschienen. Muss man haben. Wir wollten von ihm wissen, wie er an den US-Kampfhubschrauber ran gekommen ist.

SPARTANAT: Kampfhubschrauber sind etwas, was der normale Betrachter entweder vom Himmel oder aus dem Video kennt. Wie ist der Apache AH-64 aus der Nähe?

Ja, keine Frage. Obwohl ich es gewohnt bin, an Maschinen wie diesem nahe ran zu kommen und obwohl sich alles ganz normal nach physikalischen und technischen Gesetzen abspielt, ist es speziell beim AH-64 schon jedes Mal mit einem Kribbeln verbunden. Denn auch wenn dort genauso der Ölstand kontrolliert, der Tank mit Sprit befüllt wird und sämtliche anderen Betriebsmittel und Waffen wie in einer KFZ-Werkstatt behandelt werden, bleibt dieses Monster von einem Kampfhubschrauber jedes Mal ein überwältigender Anblick.

Es ist nun mal DER Kampfhubschrauber, den man schon als kleines Kind bewundert hat, der schon in so vielen Konflikten herausragend mitgewirkt hat und den man tatsächlich sehr selten so richtig aus der Nähe betrachten, geschweige im Einsatz (ob Übung oder scharf) erleben darf. Auf einer Flugshow oder am Boden in einer Ausstellung ist eines – aber beim Abfeuern der 30mm-Chaingun direkt unter dem Ungetüm zu stehen…das ist ein nachhaltiges Erlebnis. Es geht hier um eine ernste Sache: um die Anwendung von roher Gewalt, von präziser tödlicher Gewalt…aber: si vis pacem para bellum bleibt der Grundsatz. Kurzum, außer vielleicht der gewaltige Mi-28 der Russen, kann von allen Kampfhubschraubern bei mir persönlich nur der AH-64 Apache Ehrfurcht erzeugen.

SPARTANAT: Du schreibst spezialisiert über Militärhubschrauber. Wie kommt man dazu? Und wie kommt man an den AH-64 ran?

Ich bin eigentlich ein begeisterter Militärluftfahrt-Enthusiast. Dabei interessiert mich hauptsächlich die Technologie sowie die Fähigkeit der Luftfahrzeuge als hochtechnologisierte Waffenplattform. Niemals würde ich versuchen, das ganze aus Fliegerischer Sicht zu beleuchten oder den Piloten und Crews ihren Job zu erklären versuchen. Denn ich unterliege nicht dem Traum vom Fliegen, sondern ich persönlich bin von der Technologie und den Fähigkeiten sowie dem Einbringen einzelner Luftfahrzeuge ins militärische Gesamtbild. Überlegenheit und Sicherheit auf höchstem Niveau sind meine Hauptinteressen.

Hierzu habe ich mich über Jahrzehnte selbst auf ein Wissensniveau gebracht, sei es durch Selbststudium (Fachbücher, Magazine, Kongresse, etc.) oder durch wissenschaftliche Grundlagen während meines Universitätsstudiums. Die paar Jahre bei der Bundeswehr haben im Grunde nichts zu meiner Expertise beigetragen, außer ein paar Eindrücke aus der Realität der Militärfliegerei. Ich war zwar bei der Luftwaffe in einem Jagdbombergeschwader eingesetzt, jedoch nur am Boden. Mein Interesse und Wissen zu sicherheitspolitischen und rüstungstechnischen Zusammenhängen haben es mir erlaubt, ab und zu mit Fachleuten reden zu können. Die Überzeugungsarbeit, mich zum Thema SOF und hier speziell zu den fliegenden Komponenten einzubringen kam zu allererst von Sören Sünkler (bekannt als Herausgeber des Magazins K-ISOM). Dies brachte mich automatisch immer mehr in die Nähe von Hubschraubern, da SOF-Einheiten zu 90% mit Hubschraubern verbracht werden.

„Super ist, dass man sich vor Ort an den Maschinen und mit den Akteuren in der realen Welt ein eigenes Bild verschaffen kann.“

Eine Vertiefung in die Rotorwelt war somit vorprogrammiert, obwohl ich allen anderen Luftbewegungsarten und Waffensystemen ebenso die Interessenstreue halte. Publikationen – ob Bücher oder Leitartikel oder gar historische Analysen – ließen nicht lange auf sich warten. In den 6 Jahren, in denen ich mich publizistisch betätige, komme ich derzeit auf fünf Bücher und etwa 40 Fachartikel und Analysen. Das Schöne daran ist, dass jeder Artikel und jedes Buch nicht nur das Studium und die Recherche von Primär- und Sekundärquellen oder technischen Manuals bedürfen, sondern dass man sich vor Ort an den Maschinen und mit den Akteuren in der realen Welt ein eigenes Bild verschaffen kann. Auch die Fotos sollten überwiegend aus der eigenen Kamera stammen – das ist so der Ehrenkodex eines guten Autors, auch wenn ich in erster Linie kein Fotograf bin.

An die gewünschten Systeme – wie hier an den Apachen – kommt man nach einigen in der Fachwelt für gut befundenen Publikationen leichter heran. Und: man darf kein verängstigtes Gemüt aufweisen, denn wenn man ins Feld mitgenommen wird, gehen sehr wenige Behörden oder Militärs davon aus, das man dies zum ersten Mal tut. Beim schwebenden (15m Hohe) und scharf geladenen Apache stand ich minutenlang unter der Kanone und versuchte bei all dem Downwash und Hülsenregen (Milchflaschengroß) den geeigneten Schnappschuss zu erhaschen. Ein kleiner Adrenalinschub im Bereich des Hobbies in der Freizeit sorgt bei manchen Menschen eben für mehr Ausgeglichenheit. 

SPARTANAT: Wie lange hast Du an dem Buch gearbeitet? Was erwartet den Leser, der sich für Kampfhubschrauber interessiert?

Ein anständig recherchiertes Buch mit dem Anspruch, möglichst viele Details und Hintergründe zu beleuchten, die selbst den Fachleuten noch den einen oder anderen Aha-Effekt vermitteln und trotzdem für interessierte „normale“ Leser sowie Modellbauer oder reinen Technik-Fans verständlich und illustratorisch angenehm aufbereitet sind, nimmt etwa ein Jahr in Anspruch.

Hinzu kommen Truppenbesuche im Rahmen der Recherche im Feld. Letztere müssen langwierig und koordiniert vorbereitet werden. Freigaben, Zugangsberechtigungen sowie exklusive Embedded-Aktionen (individuelle Truppenbegleitung ohne Beisein anderer Massenmedien oder Laien; keine Medientage) hängen vom eigenen Netzwerk sowie von der Reputation des einzelnen Autors ab. Da ich normalerweise in SOF-Kreisen journalistisch agiere, ist meine „Clearance“ höher angesetzt als bei einem „nicht-geheimen“ Truppenbesuch. Das erleichtert den Zugang ein wenig.

„Die Leser erwartet mit diesem Buch – so meine Hoffnung – eine AH-64-„Bibel“, mit der im Grunde alles zum Thema Apache gesagt ist.“

Die Leser erwartet mit diesem Buch – so meine Hoffnung – eine AH-64-„Bibel“, mit der im Grunde alles zum Thema Apache von der ersten Zeichnung 1972 bis zum letzten geplanten Apache kurz vor der Schrottpresse 2040. Das heißt, die Entwicklungsgeschichte wird komplett aufgerollt. Vom Prototypen bis zur neuesten Version AH-64 E V6 und darüber hinaus. Es wird das grundsätzliche Konzept des AH-64 als auch alle detail-spezifischen Feinheiten erklärt. Von der Technik, Technologieentwicklung, der Schutzausstattung, der Sensorik, den Waffen bis hin zu den wichtigsten Taktikanwendungen. Die Konzeption der US Army Apaches steht im Vordergrund, aber auch die Exportkunden und alle Sonderversionen sind Gegenstand der Betrachtung. Von der Ausbildung bis zum Einsatz wird alles erklärt. Wer macht was, wie funktioniert der Apache, was kann er? Und ganz wichtig: wo war er überall im Einsatz? Alle bekannten Einsätze, in denen der Apache im Einsatz war, werden detailliert dargestellt.

Der sicherheitspolitische Teil zeigt alle Doktrinen und Krisenszenarien auf, in denen das Konzept Apache wirken musste und wirken werden muss. Also auch in die Zukunft wird geblickt und die gegenwärtige sicherheitspolitische Lage, welche das neue Einsatzumfeld des AH-64 darstellt, genau betrachtet. Das Ganze untermalt mit schönen Fotos, technischen Skizzen, Detailansichten sowie Einsatzbildern. Ja, der Apache wurde auch oft beschossen und hatte auch seine Krisenzeiten. Auch das bleibt nicht unerwähnt.  

SPARTANAT: Was hat Dich selbst am meisten erstaunt am Apache?

Mich persönlich hat die Performance dieses Schlachtrosses fasziniert. Vor allem als ich des öfteren bei den Amerikanern vor Ort war. Man sieht den Apache meist nur irgendwo schweben oder gemächlich auf einem Überführungsflug in seiner schwarz-grauen Silhouette vorbei rauschen. Wenn man als Zivilist im Bayerischen Umland unterwegs ist. Man kennt meist nur die lustigen Holländer mit ihrem Show-Apachen auf Flugshows oder Fotofans oder Spotter, die einen Apache im Landeanflug oder beim Start erleben. Die Amerikaner haben eine ganz bestimmte Art, Civil-Military Relations zu pflegen: der freundlich-gesprächige Umgang mit ihren auswärtigen Gästen. Alles ist „fine“, „great“ und „awesome“. Keiner macht hier eine ermahnende Ansage.

„Live bei der Vorführung verwandelt sich der Apache in ein extrem agiles Monster, feuert aus allen Rohren. 30mm Chaingun und 70mm Raketen …“

Zu dem was einem gleich auf im Feld oder auf Platte erwartet wird nichts erwähnt. Militärisch ist komplett auf höfliches Understatement geschaltet, möchte man den deutschen Fachjournalisten, der maximal 4 Tiger-Kampfhubschrauber an einem Ort erleben wird, nicht brüskieren. Und dann geht es los: 16 Apachen fliegen der Reihe nach heran, 10 weitere parken auf der FARP nebenan und warten auf ihren Einsatz. Ich stehe an der Schießbahn in Grafenwöhr, genau dort wo einige der Gunships ihre 30mm Kanonen in Bodennähe abfeuern. Und plötzlich bricht die absolute Hölle los! Der Apache verwandelt sich in ein extrem agiles Monster, feuert aus allen Rohren. 30mm Chaingun und 70mm Raketen….Hellfire sind zu teuer um live verschossen zu werden, die hätten noch gefehlt. Die Maschinen kurven beängstigend nahe über den Baumwipfeln und ziehen abrupt un pfeilgerade nach oben, um sofort los zu feuern. Aus allen Richtungen brausen dies schwarzen Schatten heran. Alles ist in Rauch und Schmauch eingehüllt, aus allen Richtungen hallen dumpfe Kickbass-Salven von der Schiebahn nebenan.

Dann wieder Ruhe, Vogelgezwitscher. Das war das Beeindruckendste am Apache. Er geht vom gemütlichen Flug plötzlich in den taktischen Angriffsmodus über als stünde er mitten in einer feindlichen Großoffensive irgendwo bei Suwalki oder über den Spratly Inseln. Dabei werden sehr aggressive Flugmanöver und massive Feuerkraft aufgefahren, die man so überhaupt nicht kennt. Und das in einer so großen Zahl an Kampfmaschinen. Das war für mich der faszinierendste Moment.

„AH-64 Apache“ von Christian Rastätter, Motorbuch Verlag, Stuttgart 2021, 224 Seiten, Euro 29,90.

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