Im Bundeskriminalamt und im BVT gehen weit mehr IT-Spezialisten einer Nebenbeschäftigung nach als bisher gedacht. Besonders auffällig agierten zwei Spitzenbeamte: Sie entwickelten eine rege Geschäftstätigkeit für ein Unternehmen, das nach außen hin auf eine der Ehefrauen lief.

Im Amt sind sie Vorgesetzter und Untergebener. Privat sind sie seit Jahren eng verbunden. Wirtschaftlich. Nebenberuflich. Gut getarnt hinter einer der Ehefrauen, über die das Unternehmen admin4you mit offiziellem Sitz in einer Reihenhaussiedlung im Süden von Wien bis Ende November gelaufen ist. Warum nur bis Ende November? Weil nach monatelangen Recherchen von Addendum zum Thema Nebenbeschäftigungen von Spitzenbeamten im Kriminal- und Nachrichtendienstbereich ganz offensichtlich die Notbremse gezogen wurde. Gezogen werden musste.

Bereits am 4. Oktober 2018 richtet Addendum eine Anfrage an Erhard F., den Leiter der IT-Beweissicherung im Cybercrime-Competence-Center C4 des Bundeskriminalamts. Das Mail erging auch an admin4you, das Unternehmen seiner Frau, für das Erhard F. tätig wurde. Von dort kam auch prompt ein sogenannter Return-Receipt mit dem Inhalt, dass das Mail von der allgemeinen Office-Mailadressen von admin4you erfolgreich an mehrere weitere Adressen weitergeleitet worden sei: darunter an Erhard und Gerhard (siehe Screenshot).

Wer Erhard ist, liegt auf der Hand. Ein Gerhard ist, wie monatelange Addendum-Recherchen ergaben, im Umfeld von Erhard F. auch nicht weit. Es handelt sich um Gerhard R., der mittlerweile im Referat von Erhard F. die mobile Forensik leitet.

Konstellation mit Kollision

Diese Konstellation erscheint aus mehreren Gründen problematisch: Zum einen müsste Erhard F. als Vorgesetzter von Gerhard R. penibel darauf achten, wann Gerhard R. seine Nebentätigkeit ausübt. Ob er Überstunden macht. Ob er womöglich mehr als nur die Mittagspause dazu benutzt, für private Kunden tätig zu werden. Zum anderen müsste er einen strengen Blick auf die Privatkunden des Gerhard R. bei admin4you werfen, um mögliche Interessenkonflikte im hochsensiblen Bereich der Kriminalitätsbekämpfung ausschließen zu können. Aber könnte Erhard F. das überhaupt unvoreingenommen tun? Sowohl die Kunden als auch die privaten Arbeitszeiten von Gerhard R. kennt er wohl nur zu gut. Schließlich war Erhard F. selbst ja auch über Jahre für das Unternehmen admin4you, das noch dazu seiner Frau Brigitte F. gehört, tätig. Ein effektives Vieraugenprinzip sieht anders aus. Eine Anfrage von Addendum dazu wurde vom Bundeskriminalamt – mit Verweis auf die Privatsphäre – nur allgemein beantwortet. Auskünfte auf diese Problematiken blieben aus.

Traumhafte Arbeitsbedingungen

Nur zur Verdeutlichung: Das Thema ist deshalb von besonderem öffentlichem Interesse, weil gerade in den IT- und Forensik-Abteilungen mittlerweile hochspezialisierte Experten auf Staatskosten aus- und weitergebildet werden. Und Zugang zu Softwaretools erhalten, von denen rein private Computerspezialisten nicht einmal träumen können.

Der Lösch-Verlauf

Aber bleiben wir bei Erhard und Gerhard, den beiden leitenden Cybercops im Bundeskriminalamt. Bleiben wir bei admin4you, der Firma von Erhard F.s Frau. Und schauen wir uns doch ein privates Kundenverhältnis genauer an: Im Internet findet sich die Domain digital-business-leader.de. Eine Analyse der Domaindaten zeigt Folgendes: Dort taucht Erhard F., der Chef der IT-Beweissicherung im Bundeskriminalamt, bis Juni 2018 als Ansprechpartner für technische Fragen auf. Angeführt war eine Handynummer, die ganz offensichtlich eine besonders schnelle Erreichbarkeit garantieren sollte. Es ist jene, die Erhard F. auch dienstlich verwendet. Es ist die Mobilnummer seines Diensthandys aus dem Bundeskriminalamt (siehe Screenshot).

Auffällig ist jedenfalls, wie und wann gewisse Spuren aus dem Netz plötzlich verschwunden sind: Nicht nur bei digital-business-leader wurden Informationen entfernt, die zu unangenehmen Fragen führen können; auch bei admin4you setzte eine regelrechte Lösch-Kaskade ein. Dort fand sich Erhard F. bis vor wenigen Monaten als Ansprechpartner für die Domain, auch dort kam es unmittelbar nach der Erstveröffentlichung von Addendum zum Thema Nebenbeschäftigungen (9. Oktober 2018) erneut zu Veränderungen. Die jüngsten datieren sogar erst vom 13. Dezember 2018. Übrigens: Bei admin4you war vor wenigen Monaten Cybercop-Kollege Gerhard R. als technischer Kontakt registriert. Da waren offensichtlich echte Spezialisten am Werk.

Doch Erhard und Gerhard sind nur die Spitze des Eisbergs. Das Innenministerium bestätigt mittlerweile, dass 34 von rund 60 IT-Experten im Cybercrime-Kompetenzzentrum einer Nebenbeschäftigung nachgehen – Anfang Oktober 2018 hatte eine erste Erhebung eine Anzahl von „zumindest 17“ offenbart. Nun hat das Innenministerium eine Prüfung eingeleitet. Minister Herbert Kickl (FPÖ) sieht sich mit einer Entwicklung konfrontiert, die aus der Zeit seiner Amtsvorgänger stammt. Er teilt dazu mit:

„Die Sicherheit sensibler Daten ist absolut notwendig und unverzichtbar. Mit dem Informationssicherheitsgesetz gibt es dafür auch eine klare rechtliche Grundlage. Die Einhaltung dieses Gesetzes muss lückenlos gewährleistet sein. Deshalb wurden auch im BVT nach dem Bekanntwerden von Missständen umgehend Maßnahmen gesetzt und in die Wege geleitet, um eine optimale Kontrolle der Datensicherheit zu gewährleisten. Darüber hinaus hat der Generalsekretär des BMI, Peter Goldgruber, die Personalabteilung angewiesen, bestehende Nebenbeschäftigungen insbesondere im IT-Bereich einer Prüfung zu unterziehen. Dieser Prozess ist bereits gestartet und soll zeigen, ob sich die Gegebenheiten gegenüber dem Zeitpunkt der Meldung verändert haben, etwa bezüglich der Verwendung der Mitarbeiter oder des Umfangs bzw. Inhalts der Nebentätigkeit.

Im Sinne der bestehenden Richtlinien ist hier eine Einzelfallprüfung geboten. Sollten sich aber systematische Probleme zeigen, ist auch eine Ausweitung des bestehenden Erlasses im Sinne eines generellen Tätigkeitsverbots in bestimmten Branchen denkbar.“

Die Website von admin4you ist seit 30. November 2018 offline. Zufälligerweise stellte Addendum kurz davor erneut eine Anfrage zum Thema Nebenbeschäftigungen an den Direktor des Bundeskriminalamts.

Der persönlichen Karriere von Erhard F. hat die Angelegenheit nicht geschadet. Im Gegenteil. Seit dem 1. Dezember 2018 ist Erhard F. interimistischer Leiter des gesamten Cybercrime-Kompetenzzentrums.

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Addendum Artikelserie BVT: 

Die Einleitung auf SPARTANAT: BVT in Österreich: Wie kaputt war der Geheimdienst? 

Teil 1: Das BVT – eine Fehlkonstruktion?

Teil 2: Österreichischer Agent mit Agenda

Teil 3: Der „Chefspion“, der aus der Partei kam

Teil 4: Agent Gridling – die andere BVT-Affäre

Teil 5: Die Mauer des Schweigens

Teil 6: Der „Chefspion“ und die ÖVP

Teil 7: Cybercops mit Nebenjobs

Teil 8:  Wenn Cybercops plötzlich ihre Spuren beseitigen

More to come…

Dieser Artikel wurde zuerst auf ADDENDUM veröffentlicht. Copyright Text: ADDENDUM. Bilder: ADDENDUM

ADDENDUM im Internet: www.addendum.org