Wie gefährlich ist es nach dem Ausbruch des Krieges im Nahen Osten und seinen Ausstrahlungen in Europa – oben Demonstration in Wien –  geworden? Wir wollten von Sicherheitsberater Florian Peil – er ist Autor der Bücher „Terrorismus. Wie wir uns schützen können“ und „Die 5 Ringe der Sicherheit“ – wissen, wie er die Lage einschätzt und wie jeder von uns sich schützen kann.

SPARTANAT: Der Krieg im Nahen Osten, die Unruhe bei uns: Viele denken da plötzlich wieder an Sicherheit. Aber wie unsicher ist die Lage ihrer Meinung nach?

Florian Peil: Die Sicherheitslage hat sich seit etwa 2014 grundlegend verändert – auch in Europa. Die Lage ist dynamischer und deutlich komplexer geworden. Bestehende Konflikte, die von Gesellschaft und Politik lange ignoriert oder klein geredet wurden, drängen jetzt mit Macht an die Oberfläche.

Neben dem Krieg in der Ukraine haben wir jetzt den alten Konflikt im Nahen Osten, der mit dem terroristischen Angriff der Hamas auf Israel nun auf das Heftigste wieder aufgeflammt ist. Diese Konflikte haben direkte negative Auswirkungen auch auf die Sicherheitslage in Europa. Dazu gehören hierzulande vor allem innerstaatliche Konflikte und die Bedrohung durch terroristische Anschläge durch ganz unterschiedliche Akteure.

SPARTANAT: Können Sie das detaillierter erläutern?

Florian Peil: Die größte terroristische Bedrohung besteht unverändert durch islamistische Terroristen. Diese wittern nach dem Angriff der Hamas auf Israel jetzt Morgenluft. Israel hat Schwäche gezeigt, auch der Westen wird als schwach wahrgenommen. 

Darüber hinaus lässt sich seit der Corona-Pandemie eine Zunahme des Extremismus beobachten. Wir haben heute ein Problem mit Rechtsterrorismus und Reichsbürgern. Zusätzlich sind neue Extremismusformen sind entstanden, die sich einer Einordnung in die klassischen Phänomenbereiche entziehen. Und auch im Linksesxtremismus haben wir heute Akteure, die an der Schwelle zum Terrorismus stehen. 

Zum anderen haben wir in den Gesellschaften Europas ein wachsendes Konfliktpotenzial. Das ist auch eine Folge der seit 2015 stark angestiegenen Zahl von Flüchtlingen, die zum großen Teil aus Krisenregionen nach Europa gekommen sind. Diese Menschen haben die Konflikte aus ihren Heimatländern mitgebracht und tragen diese nun auch hier aus.

Das Sicherheitsgefühl vieler Menschen hat in den vergangenen Jahren empfindlich gelitten. Auch aus meinem persönlichen Umfeld weiß ich, dass sich viele Menschen in Innenstädten nicht mehr sicher fühlen, vor allem Frauen und Mädchen.

Das wird uns in den kommenden Jahren und Jahrzehnten beschäftigen und fordern. Die Sicherheitsbehörden, allen voran die Polizei, sind aber bereit jetzt absolut am Limit.

SPARTANAT: Terror ist etwas Abstraktes, bis es uns trifft. Was sind die wichtigsten Tipps, die sie als erfahrener Sicherheitsexperte hätten – für den Fall der Fälle?

Florian Peil: Terrorismus kann uns ja auf zwei Wegen treffen: als direktes Opfer eines Anschlags oder passiv als Konsument von Nachrichten und Social Media. Das sind zwei Ebenen, wie uns Terroristen verletzen können.

„Wir sollten uns keine Anschlagsbilder anschauen, es kann traumatisieren.“

Ich empfehle dringend, sich keinerlei Fotos und Videos von Anschlägen und Opfern anzusehen, sofern man nicht beruflich dazu gezwungen ist. Diese Bilder können zu einer Traumatisierung führen, vor allem wenn sie mental unvorbereitet im eigenen Feed auftauchen.

Was den praktischen Teil angeht, so gibt es Handlungsoptionen auch im Fall von Terroranschlägen. Terroristen können alleine oder in Gruppen Sprengstoffanschläge verüben, mitunter als Selbstmordattentäter, als Active Shooter vorgehen oder Hieb- und Stichwaffen einsetzen. Schließlich gibt es noch den Modus Operandi der Überfahrtat. Bei komplexen Anschlägen kann das eine Kombination verschiedener Taktiken sein.

Terroranschläge sind komplexe Lagen. Für jede Variante gibt es eigene Handlungsanweisungen. Diese beschreibe ich ja in meinem Buch recht ausführlich. Grundsätzlich gilt: Deckung suchen, weg vom Lärm. Orientiert sein, Fluchtwege kennen. Ich muss also einen Plan und ein Protokoll für Gefahrensituationen haben, das ich dann einfach abspulen kann. Unter Stress kann ich nicht mehr klar denken und treffe schlechte Entscheidungen. Also muss ich die richtige Entscheidung vorher treffen. Ich muss daher ein sauber kalibriertes Mindset haben – und hoffentlich praktisches Training.

SPARTANAT: In den meisten Fällen lässt es sich verhindern, dass wir in so eine Lage kommen. Wie bewahrt man die Umsicht, so dass man geschützt bleibt?

Florian Peil: Es gibt verschiedene Werkzeuge, die uns helfen, Sicherheit herzustellen und gar nicht erst Opfer eines Terroranschlags zu werden. Diese Tools beschreibe ich in meinem Buch „Die 5 Ringe der Sicherheit“. Zuerst ist da wieder das Mindset zu nennen. Zu einem sauber kalibrierten Mindset gehört auch das Wissen um die aktuelle Bedrohungslage in meinem jeweiligen Kontext. Bezogen auf Terrorismus heißt das, dass ich weiß, dass überhaupt eine terroristische Bedrohung besteht, wie hoch diese ist, welche Akteure es gibt und wie diese ungefähr vorgehen. Wenn ich all das weiß, kann ich mich darauf einstellen und vorbereiten.

„Eine geschulte situative Aufmerksamkeit ist ein gutes Gefahrenradar.“

Werkzeug Nummer Zwei ist eine geschulte situative Aufmerksamkeit, der sogenannte Gefahrenradar. Ich scanne dabei fortlaufend meine eigene Umgebung und weiß daher, wo ich bin, welche Menschen sich um mich herum befinden, wo mögliche Fluchtwege sind etc. Ich bin dadurch grundsätzlich in der Lage, potenzielle Bedrohungen frühzeitig zu identifizieren und entsprechend zu handeln. Das verschafft mir Zeit und damit mehr Handlungsoptionen.

Manchmal hat man aber Pech und keine Chance, zum Beispiel bei einem Sprengstoffanschlag. Explodiert eine Autobombe, während ich zufällig daneben stehe, dann nützt mir natürlich meine situative Aufmerksamkeit auch nicht mehr viel. Hier ist es eher die Frage, ob ich die Bedrohung falsch eingeschätzt oder ignoriert habe und mich zur falschen Zeit am falschen Ort befinde. Da sind wir wieder beim Mindset.

SPARTANAT: Wir reden von Verhalten, viele setzen auf Ausrüstung. Welche Ausrüstung kann uns helfen, wenn wir uns selbst schützen wollen? Und was ist wichtiger?

Florian Peil: Sicherheit beginnt im Kopf. Wieder: Mindset. Ohne das richtige Mindset nützt Ihnen die tollste Ausrüstung nichts. Das Problem besteht ja häufig darin, dass die Menschen sich irgendeine Ausrüstung kaufen, und dann denken, sie wären vorbereitet. Je teuerer die Ausrüstung, desto besser die Vorbereitung. Das ist natürlich Quatsch und manchmal sogar gefährlich.

Ich habe das des öfteren beobachtet, dass Menschen denkfaul werden, weil sie ja Ausrüstung haben – mit der sie oftmals gar nicht richtig umgehen können, weil sie es nicht geübt haben. Ohne Mindset ist alles nicht.

Ich selber bin recht minimalistisch unterwegs, was Ausrüstung angeht. Ein kleines EDC ist natürlich nützlich: ein kleines Messer (entsprechend der jeweiligen gesetzlichen Vorschriften), Taschenlampe, Smartphone. Ich habe immer ein Tuch dabei, dass ich als Mundschutz einsetzen kann, zum Beispiel um Betonstaub oder Rauch nicht direkt einzuatmen. Auch eine Signalpfeife kann helfen, sollte man verschüttet oder verletzt worden sein.

SPARTANAT: Wenn der schlimmste Fall eintritt, was ist Ihr wichtigster Tipp um zu überleben – außer dass man Ihr Bücher gelesen haben sollte 😉

Florian Peil: Die Bücher sollen Orientierung geben. Sie können natürlich nicht das Verhalten in Extremsituationen ersetzen.

„In einer Gefahrensituation verhalten wir uns nicht so glamourös, wie wir uns das vorstellen …“

Mein wichtigster Tipp: Training. Mentale Vorbereitung. Also wieder das richtige Mindset. Ich muss Situationen visualisieren, im Kopf durchspielen – und dann idealerweise unter annähernd realistischen Bedingungen trainieren. Sicherheitstrainings helfen, wenn ich nicht eine entsprechende Ausbildung durchlaufen habe.

In einem Training kann ich meine eigenen Grenzen kennenlernen. Die wesentliche Erkenntnis ist dabei meist, dass man sich in einer Gefahrensituation nicht so glamourös verhält, wie man sich das vorher im Kopf überlegt hat. Die Reaktion unter Hochstress lässt sich nur durch konsequentes Training verbessern.

FLORIAN PEIL  ist Sicherheitsberater mit den Fachgebieten Wirtschaftsschutz, Reisesicherheit und Persönliche Sicherheit. Für Unternehmen, Organisationen und gefährdete Personen entwickelt er Sicherheitskonzepte und schult Menschen für einen souveränen Umgang mit Risiken und Gefahren. Zuvor war Florian Peil Mitarbeiter einer Sicherheitsbehörde im Bereich Terrorismusbekämpfung. Der Islamwissenschaftler ist Spezialist für die Region Nahost und Nordafrika.

Seine sehr empfehlenswerten Bücher

– „Die 5 Ringe der Sicherheit“

„Terrorismus. Wie wir uns schützen können“

gibt es direkt bei uns im SPARTANAT SHOP.

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