Herbert Lang, der Chef von Trans-Atlantic Viking Security, kennt wie kaum jemand die tatsächlichen behördlichen Verknüpfungen und täglichen Routineabläufe in den irakischen Provinzen. Hier ist, parallel zur irakischen Polizei und vormals den Interventionskräften der US-Armee, eine ganze Armada von zivilen Fachkräften für die Sicherheit im Einsatz. Der gebürtige Bayer ist in seinem Heimatort in unmittelbarem Umfeld einer Liegenschaft des US-Militärs aufgewachsen und arbeitete nach seiner vierjährigen Dienstzeit bei der Bundeswehr als ziviler Angestellter für das United States Army Corps of Engineers. Ab Anfang 2004 begleitete er seine Abteilung nach Qatar und Bahrain. Seit Ende 2004 ist er als Security Contractor für das United States Department of Defense (DOD) und das Department of State (DOS) im Irak und Afghanistan tätig. Seine Aufgabe bestand anfangs darin, als Einsatzreserve (Rescue and Recovery-Unit) DOD und DOS Firmen wie zum Beispiel Combat Service Support (CSS), DynCorp International, SOC-SMG Inc. usw. zu verstärken. Aufgrund der sich schnell ver­schärfenden Sicherheitslage, wurde der Aufgabenbereich jedoch schnell auf die ge­samte Bandbreite der selbstständigen Sicherheitsdienstleistungen ausgeweitet. Udo Lücken hat Herbert Lange für SPARTANAT interviewt.

Herbert Lang war in dieser Zeit als PSD (Personal Security Detail) Team Leader auf hunderten Convoy Security Missions für das US-Militär unterwegs. Mit DynCorp war seine Abteilung parallel für die Polizeiausbildung der lokalen ›Iraqi Police Service‹ (IPS – paramilitärische Polizeieinheiten) zuständig, welche unter dem Namen ›Civilian Police Assistance Training Team‹ (CPATT) bekannt wurde. Dazu wurden sie sehr unkonventionell einer US-Militärpolizeieinheit zugeteilt. Sie trugen in dieser Zeitspanne dieselben Uniformen und Ausrüstungsgegenstände wie jeder US-Soldat.

Seit vier Jahren ist Herbert Lang als selbstständiger Sicherheitsdienstleister (PSC – Private Security Contractor) mit seinem Unternehmen TAV-Security (Trans-Atlantic Viking Security) im gesamten Irak in den Bereichen PSD, Convoy Security, CCTV, Monitoring, Tracking, K9 Dog Team, Intel.-Service, Security Training Akademie für Locals, Locistics, Maintenance, Force Protection, statischer Objektschutz und MedEvac tätig. Sein Personal besteht aus Expats (Deutsche, US-Amerikaner, Briten), TCNs (Third Country Nationals) und LNs (Local Nationals). Sie sind zertifiziert, international und national Registriert und operieren unter dem internationalen Programm ›NISPOM‹ (National Industrial Security Program Operating Manual). Herbert Lang bestätigt, dass der Bedarf an qualifiziertem Sicherheitspersonal in stark steigendem Maße zunimmt.

SPARTANAT: Was halten Sie von der aktuellen Bedrohungslage im Nord-Irak durch die ISIL-Truppen und wie wirkt sich das auf Ihr Betätigungsfeld aus?

Herbert Lang: Die Entwicklung hat uns hier im Großraum Erbil nicht so überrascht wie es die westlichen Medien verbreiten. Wir wussten bereits im Juli 2013, dass sich da was Großes zusammenbraut. Aber die westlichen Militärs im Irak wollte es nicht zur Kenntnis nehmen. Die Luftschläge der Koalitionskräfte bewirken immer nur temporäre Verzögerungen und verpuffen damit im wahrsten Sinne des Wortes. Ohne kampfstarke Bodentruppen ist der Eroberungsfeldzug der ISIL nicht nachhaltig zurückzuschlagen. Meine Männer haben mit der vorsorglichen Evakuierung von Führungspersonal westlicher Firmen gut zu tun. Wir erhalten gerade umfänglich personelle Verstärkung aus Deutschland.

SPARTANAT: Deutsche Sicherheitsunternehmen betreten eher zögerlich den internationalen Markt für zivile Sicherheitsaufgaben. Woran liegt das?

Herbert Lang: In Krisen und Kriegsgebieten haben die deutschen Sicherheitsunternehmen bis dato wenig Chance auf Aufträge, da dieser Markt seit 2003 von den Vereinigten Staaten, Großbritannien und anderen Ländern, die unter den Koalitions-Truppen waren, beherrscht wird. Das liegt zu einem großen Teil daran, dass die US-Amerikanische oder Britische Regierung diese Firmen als Vertragsfirmen für Sicherheitsaufgaben bevorzugt anstellen und entsprechend unterstützen. Wir als TAV Security hatten nur dadurch die Chance in diesen Markt einzudringen, da wir als deutsche Firma für die USA tätig wur­den und von Anfang an mit dabei waren.

Des Weiteren fehlt den Deutschen ausreichende Erfahrung in Krisen- und Kriegsgebieten der heutigen Zeit. 2003, mit Beginn des Irakkrieges, war der Countdown für die PSCs (Private Security Companys). Wenn ich zehn Jahre zurückblicke, muss ich heute feststellen, dass die »Familie« im Privaten Security-Bereich in Krisen- und Kriegsgebieten sehr klein geworden ist. Die meisten, die sich in diesen Gebieten noch aufhalten, sind »alte Hasen«.

SPARTANAT: Wie stufen Sie den Bedarf an PSCs/ZSDs (Ziviler Sicherheitsdienstleister) ein?

Herbert Lang: Bei 1000 Prozent. PSCs werden mehr denn je benötigt, da diese in Krisen- und Kriegsgebieten für die beauftragenden Regierungen oder Organisationen »die Kartoffeln aus dem Feuer holen«. Sie sorgen 24/7/365 für ein Mindestmaß an Sicherheit. Beispiel: Bei einer CET Mission (Convoy Escort Mission), bei der der Convoy mit zum Beispiel 25 Trucks aus US- oder GB-Military- Fahrzeugen besteht, wird eine PSC beauftragt, für die­sen Convoy Geleitschutz zu geben. Warum? Im Convoy sind sowieso Soldaten in gepan­zerten und bewaffneten Militär-Fahrzeugen. Also warum PSCs? Ganz einfach! Bei einem Zwischenfall, bei dem es zu einem Schusswechsel kommt und eventuell Zivilisten ums Leben kommen, kann die Verantwortung nicht auf die Regierung des Entsenderlandes abgewälzt werden, sondern die PSC hat die Verantwortung dafür zu übernehmen. Die Firma ist aber auch meistens aus dem Entsenderland und hat sich dann vor den Gerichten in dem Land aus dem Sie sind zu verantworten. Problematisch? In jedem Fall. Aber das ist die künstlich geschaffen Realität.

SPARTANAT: Wie ist der Stellenwert der deutschen PSC/ZSD im internationalen Vergleich?

Herbert Lang: Der Stellenwert deutscher ZSDs in Krisen- und Kriegsgebieten ist im Verhältnis zum internationalen Vergleich ganz unten anzusiedeln, da es nur wenige oder keine Erfahrungswerte oder nennenswerte Legenden auf diesen Gebieten gibt. Ich kann aber berichten, was andere Internationale Sicherheitsfirmen über unser Unternehmen sa­gen. »Mission impossible – give it to TAV, Mission accomplished!« Das heißt wir haben derzeit auch viele Aufträge von anderen, sehr großen Internationalen Security-Unternehmen für Missionen, die sie selbst nicht erfüllen können oder wollen – aufgrund hoher Gefahr, fehlen­der Lizenzen oder eines ungeeigneten PersonalmixesS, um grenzüberschreitend zu operieren.

Warum können wir solche Aufträge annehmen? Einer der Gründe ist, dass wir unter der Flagge unserer Nationalität (Deutsch) operieren. Wir genießen bei den Irakern sehr hohes Ansehen. Das hat auch damit zu tun, dass Deutschland bei der Invasion 2003 und auch danach nicht unter den Koalitionstruppen war. Ein weiterer Grund ist, dass wir mit un­serer deutschen Präzision, so wie wir es gelernt haben und auch gewohnt sind, operieren.

SPARTANAT: Wie unterscheidet sich die Arbeitsweise der Nationalitäten in den Krisen- und Kriegsgebieten?

Herbert Lang: Zunächst einmal müssen wir in 3 Gruppen unterscheiden:

  1. Expats (Expatriate/Experte): Die meisten Expats/Experten haben eine militärische oder polizeiliche Ausbildung und waren in diesen Bereichen bereits als aktive Soldaten oder Polizisten in Krisen- und Kriegsgebieten tätig. Die Expats sind auch die Leader der Einsätze und Operationen. Sie verfügen über das gesamte Know-How, das mit Security-Aufgaben zu tun hat. 95 Prozent der Expats im Irak und Afghanistan sind US-Amerikaner und Briten. Der Rest besteht aus einigen Europäern, Australiern und Südafrikanern.
  2. TCNs (Third Country National – Drittland-Nationalität): TCNs sind meistens Philippinos, Inder, Nepalesen oder auch Pakistanis – und viele Ugander für Wachdienste. Diese Nationalitäten wurden seit 2003 über die Contractor der Koalitionstruppen, meist USA und Großbritannien, ins Land gebracht, und haben vor­wiegend auf US-, UK- und Koalitionstruppen-Militärbasen gearbeitet. Sie arbeiten meist erst als Köche, Küchenpersonal, Reinigungspersonal, Mechaniker, Schreiner, Spengler, kurzum Servicepersonal in den Militärbasen. Im Laufe der Zeit sind von diesen Leuten viele für den Bereich Security angeworben und ausgebildet worden. Ein Teil von ihnen bringt auch schon eine militärische Vergangenheit aus Ihren Ländern mit. Ich stufe dieses Personal als absolute Top-Leute ein, und so respektieren wir Sie auch. Nur als Beispiel: Mein persönlicher Assistent ist ein Nepalese, er ist seit vier Jahren bei mir. Er kennt jetzt alle Techniken im Bereich Security, spricht heute fließend Englisch und etwas deutsch, arabisch und kurdisch, und ist nach dieser langen Zeit für mich wie ein Sohn. Ich habe Ihn letztes Jahr Weinachten mit zu mir nach Hause in Deutschland eingeladen.
  3. LNs (Local Nationals – Einheimische Angestellte, aus dem Land in dem wir operieren): Local Nationals, die der englischen Sprache ausreichend mächtig sind, werden vor­wiegend als Interpreter (Übersetzer) eingesetzt. Auf Security-Missionen setzen wir dieses Personal, nachdem es die nach internationalem Standard erforderlichen Security- Schulungen und Lehrgänge, die wir hier im Land durchführen, durchlaufen und bestanden hat, als Fahrer, Static Guards und PSDs ein.

Der unterschiedliche Ausbildungsstand und die verschiedenen Kulturen sind deutlich zu erkennen. Sie stellen gelegentlich eine Herausforderung dar. Zurzeit stehe ich darum in engem Gespräch mit einem Sicherheitsunternehmen in NRW/Deutschland, um ein regelmäßiges Ausbildungsvorhaben hier im Irak für deutsche Personenschützer auf den Weg zu bringen.

SPARTANAT: Wie wird die hohe Anforderung im Auslandseinsatz vergütet?

Herbert Lang: Ein Expat, der im Security-Bereich zum Beispiel auf Personenschutzmissionen PSD als Team Leader (TL) oder Assistance Team Leader (ATL) eingesetzt ist, wird als Independent Contractor angestellt, und verdient im Durchschnitt monatlich 10.000 US-Dollar. In der Regel wurden und werden an einen Ausgebildeten Independent Contractor im Security-Bereich zwischen 8.000 US-Dollar und 20.000 US-Dollar pro Monat be­zahlt. Je nachdem, welche Position er in der Security Contractor-Firma hat. Auch die Sicherheitsstufe ist ausschlaggebend für die Position und sein Gehalt. Daneben bekommt er die Flugtickets, Ausrüstung, Unterkunft und Verpflegung gestellt. In der Regel arbeitet ein Expat im Durchschnitt drei Monate am Stück, bei einer Sieben-Tage-Woche. Dabei täglich 12 Stunden Dienst und 12 Stunden Bereitschaftszeit, in der er auch ruht/schläft. Danach ein Monat Urlaub. Diese Arbeit ist eine sehr fordernde psychische und physische Herausforderung. Ich habe viele Leute kommen und gehen sehen. Nicht nur, dass man jeden Tag sein Leben riskiert, sondern man ist auch aufgrund der allgemeinen Lage im Land sehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit. Wir haben zwar alles in unseren Camps und Basen, was unser Leben hier etwas erleichtert, aber im Prinzip hat man jeden Tag immer denselben Ablauf.

Um 6:00 Uhr aufstehen, trainieren im Fitnessraum, Frühstück, tägliches Briefing, Reinigung und/oder Instandsetzung der Ausrüstung, Berichte schreiben, Mittagessen, wieder trainieren, Ausbildung oder Fortbildung im Security-Bereich und Schießbahn- Training, Tagesbericht schreiben, Briefing, Ausdauertraining, Abendessen oder Grillabend am Lagerfeuer. Abwechslung bringen nur die Einsätze. Es ist kein Beruf fürs Leben.

SPARTANAT: Wie wertvoll war die militärische Basisausbildung in der Bundeswehr für die Tätigkeit als ZSD?

Herbert Lang: Unersetzbar. Wir sind zwar keine militärische Organisation, haben aber den­noch eine angeglichene Struktur und Befehlskette, die in diesen Gebieten unersetzlich ist. Disziplin und der unbedingte Wille, den Auftrag positiv zu erfüllen, sind die Basis von Allem. Taktisches Verständnis und der sichere Umgang mit den Kampfmitteln müssen beherrscht werden und reflexartig abgerufen werden können. Die Bundeswehr hat mir dafür gutes Rüstzeug vermittelt. Die tägliche Arbeit hat es aber in »Fleisch und Blut« über­gehen lassen.

SPARTANAT: Sehen Sie die Tätigkeit eines ZSD im internationalen Einsatz als zukünftig »normale« Berufsausübung?

Herbert Lang: In jedem Fall. Private Security Companys können im Großen und Ganzen immer günstiger und flexibler operieren als eine Militärmacht. Die Welt macht nicht den Eindruck, dass sie in absehbarer Zeit friedlicher und ruhiger wird. Die Realität ist hart und manchmal sogar brutal. Es muss immer Menschen, Organisationen oder Regierungen geben, die sich aufziehendem Unheil in den Weg stellen. Diese brauchen dann manchmal Kräfte an ihrer Seite, die die unbequemen Aufgaben tun. Dieses kann natürlich nicht kostenfrei erfolgen. Wenn man aber das Gesamtbild betrachtet, wird man feststellen, dass Security-Operationen in Krisen- und Kriegsgebieten sehr komplex sind und damit ein höheres Investitionsvolumen erfordern. Nur um es kurz zu benennen: Das gesamte High-Tech-Equipment muss ins Land gebracht werden. Ein gepanzerter Land Cruiser B6 (Personenschutzfahrzeug) kostet etwa 180.000 US-Dollar, bis er im Einsatzland zur Verfügung steht. Lizenzen und Genehmigungen kosten im Irak zum Beispiel oftmals Unsummen. Wir sind eine Private Security Company, die zwar auch für Regierungen arbeitet, aber im Schwerpunkt für die Privatwirtschaft tätig ist.

SPARTANAT: Wie schwer ist es, sich als deutscher Sicherheits-Anbieter zu etablieren?

Herbert Lang: Absolut schwer! Die meisten heute existierenden Sicherheitsfirmen kommen aus den USA und Großbritannien. Diese erhalten eine erhebliche politische und sogar finanzielle Unterstützung durch ihre Regierungen. Diese Unterstützung haben wir nicht. In Bezug auf dieses Thema haben wir von unserer Bundesregierung zurzeit noch nichts zu erwarten. Dieses Versagen der Unterstützung wird sich aber noch als Bumerang erweisen. Die Nachfrage in der deutschen Wirtschaft nach Fachkräften mit zertifiziertem Know- How ist deutlich zu verzeichnen.

Text: Udo Lücken – Fotos: TAV – Das Interview ist zuerst im „Newsletter Verteidigung“, Ausgabe 42/2013 erschienen. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.