Polizisten der Einsatzgruppe Alarmabteilung setzten am 2. November 2020 in Wien den mit einer Kalaschnikow bewaffneten Attentäter bei einem Schusswechsel außer Gefecht. Wie sie darüber denken, darüber erzählt deren Kommandant, Oberst Ernst Albrecht.

Es sind wackelige Handy-Videos, die zeigen, wie ein Mann einer grausamen, wie vorbereiteten Spur folgt, wie Menschen in Panik um ihr Leben rennen. Es sind Schüsse zu hören, vereinzelt, auch im Stakkato, es ist aufsteigender Rauch zu sehen. Alles gespenstisch und irgendwie surreal. Und doch sind es Aufnahmen, die realer nicht sein könnten, zeigen sie doch den terroristischen Anschlag, bei dem vergangenen Montag in Wien fünf Menschen getötet wurden. Nur neun Minuten dauerte der Schrecken, dann stoppten Polizisten den Attentäter bei einem Schusswechsel. Wie jene Polizisten denken, die bei diesem terroristischen Angriff zur Schusswaffe greifen mussten, beschreibt Kommandant Oberst Ernst Albrecht, seit 25 Jahren bei der Wiener Einsatzgruppe Alarmabteilung. SPARTANAT Video: Allzeit bereit, WEGA. 

Der Kommandant der WEGA, Ernst Albrecht, im Interview.

Es komme keine Euphorie über den Einsatz auf, sagt er, weil Menschen sterben haben müssen, weil vor allem Wut und Trauer überwiegen, wegen der aufkeimenden Frage, warum es überhaupt so weit kommen musste. Wenn man ein positives Gefühl beschreiben müsste, dann eventuell jenes, eine große Prüfung bestanden zu haben, erklärt er. Die Dynamik der Situation habe kaum Spielraum für andere Gedanken zugelassen, als jene, den Einsatz so abzuwickeln, wie man ihn in unzähligen Szenarien automatisch antrainiert habe. „Da ist kein Platz für andere Gedanken.“

Sektor-Streifendienst über ganz Wien verteilt

WEGA-Einsatzbeamte seien im sogenannten Sektor-Streifendienst durchgehend über ganz Wien verteilt, sagt Albrecht. „Deshalb war es möglich, dass bereits nach wenigen Minuten zwei WEGA-Streifen am Einsatzort eintrafen und den Attentäter bei einem Schusswechsel außer Gefecht setzen konnten. Schon bei der Zufahrt seien die Polizisten von einem Active Shooter-Szenario ausgegangen, worauf sich auch ihre spezifische Taktik ausgerichtet habe“, betonte der WEGA-Kommandant.

WEGA und reguläre Polizisten im Einsatz gegen einen Terroristen.

Der WEGA-Beamte, der den tödlichen Schuss abgab, wirke selbstreflektiert und psychisch stabil, sagt Albrecht. „So etwas ist aber ein einschneidendes Erlebnis für einen Polizisten, man kann sich auf eine derartige Situation nur bedingt vorbereiten, wie etwa bei speziellen psychologischen Schulungen im WEGA-Basisausbildungslehrgang oder bereits in der Polizeischule, um ein Bewusstsein für den Status als Waffenträger und die Möglichkeit eines Schusswaffeneinsatzes zu entwickeln.“

Tote Menschen sind Stachel im Fleisch jedes Polizisten

Nach einem Einsatz wie diesem werde viel Zeit dafür verwendet, um darüber zu reden, Erfahrungen auszutauschen, betont Albrecht. Emotional sei es eine intensive Erfahrung für alle Polizistinnen und Polizisten gewesen, auch für jene der WEGA, „und das wird ehrlich untereinander angesprochen“. Auch stehe psychologische Betreuung mit dem „Peer Support“-Konzept zur Verfügung und könne jederzeit in Anspruch genommen werden. „Der Einsatz hat uns wieder bewusstgemacht, dass man nur im Miteinander einen derartigen Einsatz bestehen kann“, betont Albrecht. „Der Umstand, dass Menschen zu Tode gekommen sind, ist ein Stachel im Fleisch jedes Polizeibediensteten – denn genau das wollen wir alle ja verhindern.“

Bodenmarkierungen der Ermittler an jener Stelle, wo der Terrorist neutralisiert wurde.

Bundeskanzler Sebastian Kurz überreichte am 6. November 2020 den WEGA-Beamten, die den Attentäter beim Anschlag in der Wiener Innenstadt gestellt haben, das Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Bilder von der Verleihung: Ausgezeichnet, WEGA.

Unterstützung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

Der Psychologische Dienst des Innenministeriums, der Peer Support sowie die Mitarbeiterbetreuung der Landespolizeidirektion Wien und die Polizeiseelsorge stehen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Rat oder persönlicher Unterstützung unter anderem nach schwierigen Einsätzen zur Verfügung. Nähere Informationen HIER.

Wäre das Attentat zu verhindern gewesen? HIER geht es zur ganzen Geschichte der Wiener Terrornacht auf SPARTANAT. 

Wien 0211: Wir gegen den Terror

Aktuelle Informationen zur Lage bekommt man über den Twitter der Landespolizeidirektion Wien: twitter.com/lpdwien

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