Bei einem überregionalen Stromausfall bricht weniger Tage die komplette Versorgung zusammen, das zeigen zahlreiche Studien. Der österreichische Bundesheeroberst Gottfried Pausch hat für den Pinzgau einen der größten anzunehmenden Ernstfälle in einer Fallstudie dokumentiert. ADDENDUM hat diesen Blackout in einem Multimedia-Feature visualisiert. HIER könnt ihr euch dieses exzellent gemachte Multimedia Feature anschauen. 

Zum Nachlesen: Die Auswirkungen eines Blackout

  1. Informations- und Kommunikationstechnologie
  • Bei der Festnetztelefonie fallen sofort das (digitale) Endgerät und der Teilnehmeranschluss aus, danach die Ortsvermittlungsstellen.
  • Bei den Mobilfunknetzen sind es weniger die Endgeräte, die im aufgeladenen Zustand und bei mäßigem Gebrauch einige Tage funktionstüchtig bleiben, sondern die Basisstationen, welche die Einwahl in die Netze ermöglichen. Ältere Technologien sind (bedingt durch das erhöhte Gesprächsaufkommen) zumeist binnen weniger Minuten überlastet oder fallen wegen der nur kurzfristig funktionierenden Notstromversorgung ganz aus.
  • Zeitungsverlage und Druckereien, die über Notstromkapazitäten verfügen, können eventuell noch für kurze Zeit zur Information der Bevölkerung beitragen. Fernsehanstalten können mit Notstromversorgung zwar noch senden, jedoch hat die Bevölkerung bei einem Stromausfall nicht mehr die Möglichkeit, mit ihren TV-Geräten Sendungen zu empfangen.
  • Hörfunk, der über akku- und batteriebetriebene Radiogeräte empfangen werden kann (z.B. in Autos), wird bei einem Blackout zur wichtigsten Informationsquelle für die Bevölkerung.
  • Bei der Kommunikation von Behörden und Einsatzorganisationen wird es ebenfalls schon nach kurzer Zeit zu deutlichen Einschränkungen kommen (bei Digitalfunksystemen nach etwa 24 Stunden, bei herkömmlichen Akkus bereits wesentlich früher). Die für zentrale Kommunikationseinrichtungen verfügbaren Reserven sind spätestens nach wenigen Tagen erschöpft bzw. aufgrund ausgefallener Endgeräte weitgehend wirkungslos.
  1. Transport und Verkehr
  • Elektrisch betriebene Elemente im Straßen-, Schienen-, Luft und Wasserverkehr fallen sofort oder spätestens nach wenigen Stunden aus. Der Straßenverkehr ist wegen des Ausfalls der Ampelregelung unmittelbar nach einem Stromausfall besonders in Städten chaotisch. Kreuzungen, Tunnels und Schrankenanlagen sind blockiert, Staus und Unfälle (auch mit Schwerverletzten und Toten) die unmittelbare Folge. Auch Rettungskräfte und Hilfsdienste kommen im allgemeinen Verkehrschaos oft erst spät zu den Einsatzorten.
  • Liftanlagen, Rolltreppen, elektronische Schließsysteme und Türöffner fallen aus.
  • Fallen Oberleitungen aus, kommt auch der stromversorgte Schienenverkehr zum Stillstand. Viele Menschen sind dann in U-Bahnen und Zügen der Bahn eingeschlossen. Leitstellen, Stellwerke und Sicherungstechnik sind in ihren Funktionen drastisch eingeschränkt.
  • Im Bereich des Luftverkehrs kann der Grundbetrieb von größeren Flughäfen durch Netzersatzanlagen und Treibstoffvorräte zwar meist noch über mehrere Tage aufrechterhalten werden, Starts und Landungen sind dennoch nur im beschränkten Umfang möglich.
  • Behörden, Einsatzkräfte und Hilfsorganisationen sind im Fall eines mehrtägigen Stromausfalls extrem gefordert: Die Treibstoffversorgung ist wenigstens punktuell sicherzustellen, Umleitungen müssen organisiert und Transportachsen festgelegt werden. Pläne für die Notversorgung besonders sensibler Bereiche (etwa Spitäler, Pflegeheime etc.) müssen vorliegen, denn sonst führt ein Blackout binnen Stunden zu einem Chaos.
  1. Energieversorgung
  • Durch den Ausfall fast aller Tankstellen bleiben unzählige Fahrzeuge liegen, der motorisierte Individualverkehr nimmt bereits nach den ersten 24 Stunden stark ab. Auch der öffentliche  Personennahverkehr kann wegen knappen Treibstoffs, des Ausfalls vieler Fahrer und des herrschenden Verkehrschaos nur mehr eingeschränkt aufrechterhalten werden.
  • Jene EU-Richtlinie 119/2009, welche seit 2012 eine Notstromversorgung bei Tankstellen vorsieht, ist in Österreich bis heute nicht umgesetzt. Aber selbst bei autarker Stromversorgung der Tankstellen könnte die Versorgung der Tankstellen ein weiteres Problem darstellen: Laut Addendum Recherchen ist die Entnahme von Treibstoffen aus Tankwägen der Mineralölindustrie in der Regel über ein WLAN-Gestütztes IT System gesichert. Ohne funktionierendem Internet wäre somit auch keine Entladung der Tankwägen möglich.
  • Auch die Funktionstüchtigkeit von Notstromaggregaten ist nicht immer gesichert: Einer deutschen Studie aus dem Jahr 2014 zufolge war bei 60 Prozent der „Netzersatzanlagen“ der Brennstoff nicht mehr verwendbar. Die auch in Österreich verpflichtende Beimengung von Biotreibstoffen verkürzt die Lagerfähigkeit von Dieseltreibstoffen.
  1. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung
  • Im Bereich der Wasserversorgung wird elektrische Energie vor allem in der Wasserförderung, aber auch Wasseraufbereitung und Wasserverteilung benötigt. Fällt der Strom aus, ist eine Grundwasserförderung nicht mehr möglich. Verteilsysteme können nur noch durch natürliches Gefälle gespeist werden, sodass erheblich weniger Wasser bereitgestellt und höher gelegene Gebiete meist gar nicht mehr versorgt werden können. Aufbereitungsanlagen funktionieren ohne Strom gar nicht.
  • Laut der Studie „Ernährungsvorsorge Österreich“ verfügen rund 1,5 der 8 Millionen Menschen in Österreich über keine Wasservorräte.
  • Fatal wirkt sich eine Unterbrechung der Wasserversorgung auf den Alltag der Menschen aus:
  • Das Zubereiten von Speisen und Getränken ist deutlich erschwert, die Toilettenspülung funktioniert nicht, und die Körperpflege ist nur mehr eingeschränkt möglich. Mit zunehmender Dauer des Stromausfalls ist mit einer Verschärfung der Probleme zu rechnen.
  • Saubere Kleidung gibt es bald nicht mehr, und die hygienischen Zustände werden gesundheitsgefährdend. Toiletten sind verstopft, es wächst die Gefahr der Ausbreitung von Krankheiten.
  • Auch die Abwasserentsorgung ist bei einem Blackout nur eingeschränkt möglich. Da Abwasserhebepumpen oftmals nicht notstromgepuffert sind, kann anfallendes Abwasser aus den Kanälen austreten und Keller fluten. Große Abwassermengen müssen vor dem Klärwerk abgeleitet werden und fließen in umliegende Gewässer. Dies führt nach einiger Zeit zu erheblichen Umweltschäden.
  • Eine weitere Folge des Stromausfalls ist ein wachsendes Risiko von Bränden: im industriellen Bereich etwa durch den Ausfall von Kühlungen und Prozessleitsystemen, in Haushalten durch Versuche, ohne Strom zu kochen, zu heizen oder zu beleuchten.
  • Da als Folge der reduzierten oder ausgefallenen Wasserversorgung die Brandbekämpfung erschwert ist, besteht insbesondere in Städten wegen der hohen Besiedlungsdichte die Gefahr der Brandausbreitung auf Häuserblöcke und sogar auf ganze Stadtteile.
  1. Lebensmittelversorgung
  • Im Blackout-Fall ist die Versorgung mit Lebensmitteln erheblich gestört, deren bedarfsgerechte Bereitstellung und Verteilung unter der Bevölkerung wird – v.a. in ländlichen Regionen – vorrangig Aufgabe der örtlichen Behörden (Gemeinden) sein. Von ihrer erfolgreichen Bewältigung hängt nicht nur das Überleben zahlreicher Menschen ab, sondern auch die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.
  • Laut der Studie „Ernährungsvorsorge Österreich“ können sich spätestens ab dem vierten Tag rund drei Millionen Menschen nicht mehr ausreichend selbst versorgen. Nach sieben Tagen sind es bereits rund sechs Millionen Menschen.
  • Innerhalb der ersten Tage eines Blackouts kommt es wegen fehlender Klimatisierung und Durchlüftung schon zu Schäden bei Obst und Gemüse in Glashäusern.
  • Der Ausfall elektrisch betriebener Stall- und Melktechnik beeinträchtigt das Wohlergehen der Tiere, führt bei Milchvieh zunächst zu Euterentzündungen und – wenn keine rasche Behandlung erfolgt – auch zum Tod. Höchst problematisch ist die Versorgung von Schweinen und Geflügel in Großbetrieben. Bei Stromausfall verenden die Tiere oftmals schon nach wenigen Stunden.
  • Die weiterverarbeitende Lebensmittelindustrie fällt meist sofort aus, sodass die Belieferung der Lager des Handels (nach dem Prinzip „just in time“) unterbrochen wird. Diese halten zwar Bestände an Lebensmitteln vor, allerdings überwiegend in Form von Kühlprodukten. Nur wenige Lager können die erforderliche Notstromversorgung länger als zwei Tage aufrechterhalten.
  • Warenumschlag und -nachschub zu den Filialen funktionieren aufgrund der weitgehend zusammengebrochenen Verkehrslogistik nicht mehr. Die Regale in den Geschäften leeren sich daher auch sehr schnell.
  • Eine Hilfestellung für die Stadtbevölkerung durch kleinstrukturierte Landwirtschaft funktionierte in den 1950er Jahren noch einigermaßen. Damals arbeitete in Österreich rund ein Drittel der Bevölkerung in über 430.000 land- und forstwirtschaftlichen Betrieben. Heute sieht das anders aus: Industrielle Nahrungsmittelproduktion hat zu sinkenden Lebensmittelkosten, aber auch zu einer Konzentration der Produktion geführt. Es gibt heute nur noch 160.000 land- und forstwirtschaftliche Betriebe in Österreich.
  1. Gesundheitswesen
  • Nahezu alle Einrichtungen der medizinischen und pharmazeutischen Versorgung der Bevölkerung sind unmittelbar von Elektrizität abhängig. Das Gesundheitswesen kann daher den Folgen eines Blackout nur kurz widerstehen. Innerhalb weniger Tage verschärft sich die Situation derart, dass selbst bei einem intensiven Einsatz regionaler Hilfskapazitäten vom weitgehenden Zusammenbrechen der medizinischen und pharmazeutischen Versorgung auszugehen ist.
  • Krankenhäuser können mithilfe von Notstromaggregaten den Betrieb nur mehr eingeschränkt aufrechterhalten werden. Medikamente werden auch in Apotheken knapp, weil die Zustelldienste ausfallen und die Produktion samt Vertrieb pharmazeutischer Produkte insgesamt zurückgeht. Die von der Kühlkette abhängige Insulinversorgung aber auch Aufrechterhaltung von Dialyseeinrichtungen ist kritisch. Externe Leistungen wie Reinigung, Wäsche und Essenslieferungen kommen zum Erliegen.
  • Pensionistenheime müssen teilweise geräumt und Bewohner in häusliche Pflege entlassen werden. Die mobile Heimhilfe kann kaum mehr aufrechterhalten werden. Die meisten Arztpraxen und Apotheken können ohne Strom nicht mehr arbeiten und werden bei einem Blackout geschlossen.
  1. Öffentliche Ordnung und Sicherheit
  • Die chaotischen Verhältnisse bei einem Blackout und die dadurch bedingten Versorgungsengpässe könnten Menschen zu Diebstahl und Raub verleiten. Wer die knapper werdenden Lebensmittel nicht mehr erwerben kann, wird Gelegenheiten nutzen, Geld und Lebensmittel zu stehlen. Polizei und Militär stoßen bereits nach mehreren Tagen an ihre Grenzen, die Ordnung und Sicherheit im Land aufrechtzuhalten. Viele Menschen werden Hotspots (etwa Problemstadtteile) verlassen und zu Verwandten, Freunden und Bekannten ziehen, wo die Sicherheit noch besser gewährleistet ist.
  • Justizvollzugsanstalten mit Notstromversorgung können bei einem Blackout zunächst die Hauptfunktionen des Betriebs aufrechterhalten, nämlich die Sicherung der Gefangenen und deren Grundversorgung. Der Aufenthalt im Freien wird zunehmend problematisch, aber ebenso der Dauereinschluss der Insassen. Die psychische Belastung steigt sowohl beim Justizwachepersonal als auch bei den Gefangenen. Die Justizwachebeamten kommen womöglich aufgrund der Verkehrsprobleme auch noch zu spät oder gar nicht zum Dienst. Dadurch wächst die Gefahr von Unruhen in den Haftanstalten.
  • Bei einem Blackout ist besonders in Ballungszentren mit schweren Ausschreitungen und gewalttätigen Konfrontationen auf offener Straße zu rechnen. Die Koordinierung der notwendigen Gegenmaßnahmen wird durch ausgefallene Kommunikationsmittel jedoch erschwert. Polizei und Militär werden durch Einsätze zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit sowie zum Schutz kritischer Infrastrukturen ausgelastet sein und für andere Hilfeleistungen nur mehr sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen.
  1. Finanzielle Schäden

Auch die finanziellen Folgen eines Blackout sind dramatisch: Laut der Studie Black Ö.2 des Österreichisches Sicherheitsforschungs-Förderprogramms KIRAS (einer Initiative des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) kostet eine Stunde Blackout in Österreich etwa 46 Millionen Euro. Die Schäden eines in der Studie analysierten Versorgungsunterbrechungsszenarios von 25 Stunden im Januar mit einem Ausfallsbeginn um 10 Uhr Vormittag belaufen sich für alle österreichischen Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und Haushalte auf etwa 984 Millionen Euro. Dies beinhaltet sowohl die Reduktion der während dieser Werktage üblichen Wertschöpfung sowie die Schäden privater Haushalte, die auf Nutzeneinbußen, Komfortverluste sowie direkte Schäden (z.B. verdorbene Lebensmittel) zurückzuführen sind.

ADDENDUM Artikelserie zum Blackout in  Österreich: 

Die Einleitung auf SPARTANAT: Österreich übt den Blackout

Teil 1: Es wird sehr schwierig sein, die Kontrolle zu bewahren

Teil 2: Nichts geht mehr – die Auswirkungen eines Blackout

Teil 3: Land ohne Strom – Mögliche Ursachen für einen Blackout

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