„Was schraub` ich auf mein AR?“ Diese Frage stellen sich AR-15 Besitzer nicht nur einmal. Einsatzzweck und Budget können zwei hilfreiche Wegweiser im Optiklabyrinth sein. Wer eine universal einsetzbare Visiereinrichtung sucht ohne Nachteile in Kauf zu nehmen, muss tief in die Tasche greifen. Henning Hoffmann von der WAFFENKULTUR hat sich das Teil genau angeschaut.

Fast jeder hat schon einmal von der Premium Optik Specter 1x/4x des kanadischen Herstellers ELCAN gehört. Und alle möchten eine haben; bis der Blick auf das Preisschild fällt. Das ELCAN ist unverschämt teuer; aber gut. So die landläufige Meinung. Wer die Optik aber einmal in verschiedenen Einsatz- und Distanzbereichen getestet hat, gibt sie nicht wieder her. So auch der Verfasser, der das Leihgerät von Oberland Arms nach dem Test kurzerhand erworben hat.

ELCAN – Ernst Leitz Canada

Die kanadische Firma gehört zum 1922 gegründeten US-amerikanischen Rüstungskonzern Raytheon und ist spezialisiert auf die Produktion von optischen und elektronischen Bauteilen. Der Firmenname ELCAN setzt sich aus Ernst Leitz Canada zusammen. Das Unternehmen wurde 1952 unter Beteiligung der Ernst Leitz Firmengruppe Wetzlar im kanadischen Bundesstaat Ontario gegründet.

Die Seitenverstellung befindet sich am Gerät vorn und kann mit einer Münzen oder Patronenhülse bedient werden. Das Stellrad für die Höhe ist ohne Werkzeug handhabbar. Es kann über eine Sperrklinke fixiert werden. Der Umschalthebel von 4x zu 1x ist intuitiv mit dem Daumen bedienbar.

Die Specter® Zieloptiken sind dabei nur eine Fertigungslinie des Konzerns. Umgangssprachlich hat sich für die Optiken allerdings auch der Name ELCAN etabliert. Neben dem 1x/4x gibt es noch weitere Varianten. Nach oben wird die Linie durch das ELCAN Specter DR 1.5x/6x ergänzt. Nach unten existieren Varianten mit fixer 4-fach bzw. fixer 6-fach Vergrößerung sowie 1-fach vergrößernden Rotpunktoptiken und ein 5-20-fach Optical Zoom Zielfernrohr. Die Abkürzung DR steht für Dual Role und gibt einen Hinweis auf die zwei Einsatzbereiche: Schießen in Nahdistanz mit 1-fach Vergrößerung und die Möglichkeit eines präzisen Schusses über größere Entfernungen aufgrund der 4-fach Vergrößerung. Hier die technischen Daten des Geräts:

Hersteller: ELCAN
Modell: Specter DR 1x/4x
Absehen: ballistisch mit LED beleuchtet
Länge: 15 cm
Gewicht ohne Montage: 670 g
Augenabstand: 70 mm
Klickverstellung: ½ MOA
Einschießentfernung: 100 Meter
Energiequelle: DL 1/3 N oder CR2302
Preis (UVP): 2.800 Euro

In der Doppelrolle

Die unkomplizierte Umschaltbarkeit der Vergrößerung ist das Alleinstellungsmerkmal der ELCAN „Dual Role“ Linie. Kein anderer Hersteller hat etwas Vergleichbares im Programm. ELCAN bezwingt damit einen fortwährenden Kompromiss, zu dem Anwender genötigt werden. Bisher musste die Beschaffungsentscheidung für eine Optik an Prioritäten ausgerichtet werden. Erfolgt der Schusswaffeneinsatz überwiegend im Nahbereich bis 200 Meter, ist eine Vergrößerung nicht unbedingt erforderlich. Erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, auch Ziele im Distanzbereich des infanteristischen Halbkilometers bis zu 500 oder 600 Meter wirksam unter Feuer zu nehmen, ist eine 4-fache Vergrößerung zumindest zur Zielidentifikation hilfreich. Andere am Markt erhältliche Produkte versuchen diesen Kompromiss mit einem vorgeschalteten Vergrößerungsmodul (Magnifier) oder einem Zielfernrohr mit variablen Zoom zu glätten. Beide Optionen erreichen jedoch nicht einmal im Ansatz die Anwenderfreundlichkeit, wie ein ELCAN Dual Role.

Bei ELCAN Zieloptiken ist eine Spannmontage von ARMS inkludiert. Bei einem Zielfernrohr müsste sie extra beschafft werden. Die Sperrklinke der Höhenverstellung ist im Bild entriegelt,

Hands on: Specter DR 1x/4x

Die Ausführung DR 1x/4x ist etwa 15 cm lang, wird inkl. einer ARMS-Spannmontage ausgeliefert und wiegt 670 Gramm. Der Augenabstand beträgt sieben Zentimeter. Die Klickverstellung für Höhe und Seite wird vom Hersteller mit ½ MOA angegeben. Im Praxistest konnten diese Klickmaße nahezu exakt verifiziert werden.
Als Energiequelle dient eine DL 1/3 N. Die Betriebsdauer soll damit 3.000 Stunden betragen. Die neuste Ausführung des ELCAN nimmt eine Batterie des Formats CR2302 auf.

Im Blick: das Absehen

Das Absehen verfügt über ein Fadenkreuz mit ballistischen Haltemarken für 300/400/500 und 600 Meter. Die 200-m-Haltemarke wurde zu Gunsten einer besseren Übersichtlichkeit weggelassen. Bei 4-facher Vergrößerung entspricht die Breite jedes Haltemarkenstriches einer Zielbreite von 48 cm. Die Haltemarken für 700/800/900 und 1.000 Meter sind mit einem Kreis versehen. In der praktischen Anwendung dienen sie als Haltemarken für das Schießen mit einem MG oder die Feuerart „Schnelles Einzelfeuer“.

Das Absehen erinnert an ein ZF. Der Nutzer hat die Wahl, nur den Punkt zu beleuchten oder das Fadenkreuz.

Kalibriert sind die ballistischen Absehen des Specter entweder für das Kaliber 5,56 mit einem 62 gr. schweren Vollmantelgeschoss oder für das Kaliber 7,62 mit einem 147 gr. Vollmantelgeschoss. Die Information, für welches Kaliber das jeweilige ELCAN konfiguriert ist, wird vom Hersteller zusätzlich mit ins Absehen eingeätzt.
Beleuchtet wird das Absehen mittels LED. Wahlweise kann das Fadenkreuz oder der Rotpunkt beleuchtet werden. Der Rotpunkt ist bei 4-facher Vergrößerung 1,5 MOA groß. Die Einschussdistanz des ELCAN Specter DR 1x/4x beträgt 100 Meter.

Darüber hinaus besitzt das Absehen den sog. „Vertical Subtention Optical Rangefinder“ (VSOR). Der geübte Gewehrschütze kann mit Hilfe dieser Strichplatte bei gewählter 4-fach Vergrößerung Entfernungen schätzen. Die Abstände entsprechen jeweils einer Zielhöhe von 76 cm.

Für Anwender, die bisher lediglich mit einer offenen Visierung oder mit einer Rotpunktoptik gearbeitet haben, wirkt das ELCAN-Absehen mit seiner Informationsflut anfangs etwas überfrachtet. Insbesondere beim Arbeiten auf kurze Entfernungen muss der Schütze lernen, diese zusätzlichen Informationen zu ignorieren. Die sprichwörtliche Brillanz des Absehens sowie die klare Kontur des Rotpunktes unterstützen den Schützen dabei deutlich.

Drei Hochleistungsoptiken, die unterschiedlich nicht sein könnten: Das minimalistische Aimpoint Micro (unten) besitzt keine Vergrößerung. Das Vortex 1-6×24 Razor HD ist stufenlos von einfacher bis sechsfacher Vergrößerung verstellbar. Das ELCAN 1x/4x vereint die Vorteile von einfach vergrößernden Optiken mit denen von vierfach vergrößernden.

Zwei Jahre Praxistest

Das ELCAN verrichtet seinen Dienst als Zieloptik auf dem Black Label M4 seit Spätsommer 2016 und absolvierte bisher weit über 1.000 Schuss. Dabei wurde es auf Entfernungen zwischen fünf und 625 Meter eingesetzt. Geschossen wurden verschiedene Standardübungen, wie der 5/1 Drill, der ½ & ½ Drill, Delta Drill oder die Übung Rifleman. Während Standardübungen auf kurze Distanz auch mit einer puristischen Eisenvisierung fehlerfrei erfüllt werden können, spielt das ELCAN mit der schnellen Umschaltbarkeit von 1x auf 4x Vergrößerung seinen größten Vorteil bei Präzisionsübungen, wie dem „Rifleman“ aus. Der Hebel dafür ist ergonomisch sinnvoll platziert.

500 Meter

Die ballistischen Haltemarken stimmen für das Kaliber 5,56 bei einem Geschossgewicht von 62 gr. auffallend. Die 500-m-Haltemarke erzeugt bei 500 Meter tatsächlich einen recht genauen Fleckschuss. Die besten 500-m-Streukreise lagen bei 85 mm. Das entspricht einer Systemstreuung von 0,2‰. Andere Streukreise lagen bei etwa 0,4‰, was für das M4 typisch ist und auf 500 Meter in Gruppen von 16 cm bis 24 cm resultierte. Genutzt wurde die 4-fache Vergrößerung.

625 Meter

Mit einer Gesamtschusszahl von annähernd 12.000 Schuss erreicht der Lauf des Black Label mittlerweile nicht mehr die Präzision, wie am Anfang des Langzeittests. Bei Schießübungen auf 25 Meter werden seit einiger Zeit die Loch-in-Loch-Gruppen immer seltener. Häufiger zu beobachten sind hingegen Streukreise, die sich immerhin noch mit dem Daumen abdecken lassen. Das bedeutet eine Durchschnittsstreuung von 1‰; also 10 cm auf 100 Meter; bzw. 50 cm auf 500 Meter. Demnach trifft immer noch die Mehrzahl aller Schüsse eine Mannscheibe auf 500 bis 600 Meter.

Vorsicht Falle: Wird eine federgelagerte Klappkimme versehentlich ausgelöst, drückt diese von unten gegen das ELCAN. Eine erhebliche Treffpunktverlagerung ist hier die Folge.

Im Frühling 2018 hatte das ELCAN bestückt mit seiner Langzeittestwaffe Black Label M4 die Möglichkeit, auf einer 1.200-m-Long Range Bahn zu arbeiten. Der Wind kam aus zwölf bis zwei Uhr mit einer Stärke von 2 bis 4 m/s, in Spitzen 7 m/s. Der weiteste reproduzierbare Treffer lag bei 625 Meter, Zielgröße 45 cm x 45 cm. Hierfür musste im ELCAN-Absehen die Haltemarke „700 m“ benutzt werden. Für Treffer auf der 570-m-Scheibe musste mit der Haltemarke „600 m“ ein Haltepunkt auf zwölf Uhr gewählt werden. Trotz der zum Teil komplizierten Windverhältnisse trafen etwa 90% aller Schüsse. Zielgröße auf 570 Meter: 45 cm breit, 100 cm hoch.

FAZIT: Wer eine Optik für alle Distanz- und Einsatzbereiche sucht und die Investition von 2.800 Euro nicht scheut, muss sich das ELCAN Specter DR 1x/4x kaufen. Als Anwender hält man sich damit eine absolut brauchbare und sinnvolle Visieroption für den infanteristischen Halbkilometer offen. Die Brillanz des Absehens sucht selbst bei Zielfernrohren der Premiumhersteller ihres Gleichen. Wir hatte vorher schon mal ein Elcan Specter DR – HIER geht es zu der Review

Das ELCAN Specter DR 1x/4x ist in Deutschland bei Oberland Arms erhältlich. HIER sind die verschiedenen Modelle gelistet. 

ELCAN im Internet: https://armament.com/elcan-optical-technologies

OBERLAND ARMS im Internet: www.oberlandarms.com

Special THX an Henning Hoffmann (WAFFENKULTUR und AKADEMIE 0/500) für diese Review.

WAFFENKULTUR im Internet: http://waffenkultur.com

AKADEMIE 0/500 im Internet: http://0-500.org

„Rifleman“: Das fehlerfreie Absolvieren dieser Standardübung wird mit dem ELCAN zum Kinderspiel.