Das SMS (Sensitivity/Mindset/Skills) Prinzip zum Thema Messerabwehr, welches Stephan Geillinger auf SPARTANAT vorgestellt hat, wurde zum Teil sehr engagiert kommentiert. SMS wird aber nicht nur für die Abwehr eines Messerangreifers mit bloßen Händen herangezogen. Das Prinzip ist natürlich auch auf einen mit Schusswaffe bewaffneten Verteidiger adaptierbar, weiß Stephan Geillinger, und sollte auch hier Anwendung finden.

Sensivity

Sensibilisierung (Sensitivity) bedeutet sein „Gefahrenradar“ zu schulen. Der Personenschützer wäre ein schlechter, wenn er trotz erkannten Risiken, der Gefahr nicht aus dem Weg geht. Vielleicht ist er selbst der Situation gewachsen, hat ein gutes Mindset (das Wissen über die eigene Stärke, den Willen und den Kampfgeist) und gute Skills (guter Trainingsstand), um brenzlige Situationen zu dominieren.

Hat das sein Klient auch? Im Normalfall wohl eher nicht, ansonsten bräuchte er vermutlich dann keinen Personenschützer. Der geschulte Personenschützer hat demnach ein gut ausgeprägtes „Gefahrenradar“. Er setzt dieses bewusst ein, um Gefahren aus dem Weg zu gehen, kennt Ausweichrouten und sichere Plätze. Er steht evtl. in Kontakt zu Verstärkungskräften, die man hinzu rufen oder sich mit ihnen treffen kann. Aber leider leisten sich die Klienten, die einen Personenschützer brauchen, nur den einen, der direkt am Klient ist, was ein reagieren durch mehrere Personenschützer unmöglich macht, weil schlicht keiner zur Verfügung steht.

Bleibt also nur das taktische Ausweichen oder der sichere Rückzugsort als Alternative. Aber auch dem erfahrensten Personenschützer wird es nicht immer möglich sein mit der Schutzperson auszuweichen, es gibt nicht immer einen zweiten Weg, oder der ist von einem weiteren Angreifer blockiert. Also was tun, wenn Flucht als bestes Abwehrmittel ausfällt? Ich kann mir sagen „Von mir will der Angreifer eh nix, für das Geld, was der Klient mir zahlt, riskiere ich mein Leben nicht und überlasse dem Angreifer das Feld“. Ich habe dann nicht nur meinen Beruf verfehlt, sondern begehe die Straftat der unterlassenen Hilfeleistung. Und die Hilfe, die ich in so einem Fall leisten muss ist durch die Garantenstellung deutlich größer, als es der unbeteiligte Dritte tun muss, bei dem würde der Notruf bei der Polizei sicherlich genügen.

Wie ich es im vorangegangenen Beitrag beschrieben habe, ist es praktisch unmöglich die Waffe zu ziehen, wenn der Messerangreifer näher wie 7m an einem dran ist. Ich könnte mich jetzt auf meine Skills in der waffenlosen Selbstverteidigung beschränken, was an sich schon sehr risikobehaftet ist, ich verliere dabei aber den Kontakt zur Schutzperson. Die haben oft die Tendenz, die für sie sicherste Variante zu wählen, die Flucht, oder bleiben vor Schreck wie angewurzelt stehen (Schockstarre), und sind damit auch leicht angreifbar. Rennt die Schutzperson dann aber in die Arme eines weiteren Täters, oder geht sie mir wegen der Umstände verloren, werde ich im Nachgang einiges erklären müssen. Folglich bringe ich mich beim Erkennen des Angriffs zwischen die Schutzperson und den Angreifer in Position. Die Schutzperson sollte fixiert werden an den Personenschützer.

Wie geht das im Idealfall? Ich ziehe mit meiner schwachen Hand die Hand der Schutzperson vor meine Brust, so dass zusätzlich Kontakt zwischen meinem Rücken und dem Torso der Schutzperson entsteht. Habe ich die Zeit jetzt noch meine Waffe zu ziehen, dann tue ich das. „Scheiße, die ist ja gar nicht fertiggeladen!“ (Das sollte im Personenschutz auch nie eine Waffe sein!) Was nun? Wer weiß denn, wie man einhändig eine Pistole durchladet? Die Schutzperson dafür loslassen ist keine gute Option. Am Hosenbein den Verschluss ansetzen und runterfahren und die Textilie erzeugt genug Reibungswiderstand für den Verschluss, der sich so repetieren lässt. Gleiches geht am Holster oder der Gürtelschnalle mit der Kimme.

Skills

Sollte unbedingt trainiert sein (Skills), bevor man sich im Ernstfall das erste Mal daran versucht. Wie verschaffe ich mir Zeit die Waffe zu ziehen? Wenn es die Infrastruktur hergibt trete ich dem Angreifer einen Stuhl vor die Beine oder werfe ihm was entgegen, was ihm Zeit kostet und mir verschafft. Habe ich also die Waffe ziehen und durchladen können, ist es aber noch nicht geschafft. Entweder muss ich aus der Gefahrenzone raus, oder mich verschanzen und warten bis Hilfe kommt. Verschanze ich mich z.B. hinter einer Mauer, die zu meiner linken aufhört, kann ich aus dieser Deckung mit rechts nicht wirken, ohne mich und die Schutzperson unnötig zu präsentieren. Es ist also ein Waffenhandwechsel notwendig. Wie macht man das und hält zeitgleich die Schutzperson bei sich? Man klemmt den Arm der Schutzperson mit dem eigenen Arm ein, wechselt die Waffe auf diese Seite und greift mit der nun frei gewordenen Hand nach der anderen Hand der Schutzperson und spiegelt das Ganze. Nicht nur diese Skills bedürfen ebenfalls viel Übung, sondern auch das beidhändige Schießen. Hier ist nicht gemeint eine Waffe mit beiden Händen abzufeuern, sondern sie sicher mit jeweils der rechten und linken Hand bedienen zu können. Und das im stabilen Stand, wie auch in der Ausweichbewegung!

Mindset

Sollte ich in so eine Situation geraten, und von der Schusswaffe Gebrauch machen müssen (bin ich wirklich bereit sie abzufeuern? = Mindset), gelten vor allem diese drei Schiessregeln von Jeff Cooper: im voran gegangenen Beitrag hatte ich es bereits erwähnt „Kenne Dein Ziel und weiß was davor und dahinter ist“. Kollateralschäden durch die Notwehr übenden Personenschützer gehen zu seinen Lasten! Die weiteren wichtigen Regeln Coopers in so einer Situation sind „Der Finger geht erst zum Abzug, unmittelbar vor der gewollten Schussabgabe“ und „die Mündung zeigt auf nichts, was nicht getroffen werden darf“. Eines noch als persönliche Mahnung: Habe ich ich mich entschieden zu schießen, und dies auch getan, gibt es kein zurück mehr, ich kann das Projektil nicht mehr aufhalten oder umlenken! Kommt es zu einer Schussabgabe, die durch Notwehr wegen eines möglicherweise tödlichen Angriffs gerechtfertigt ist, wird auf das Bein gezielt. Und zwar auf das Brustbein. Unter Stress wird jeder das größte sichtbare Ziel als Trefferfläche nehmen, und das ist eben der Torso. Ein Schuss in ein echtes Bein geht leicht daneben, und trifft womöglich einen Unbeteiligten…, was dann passiert, hatten wir schon…

Ebenfalls sollte kein Personenschützer normale Munition (FMJ) benutzen. Das wäre in diesem Fall eine sogenannte Offensiv Munition, die möglichst größte Durchschlagkraft haben soll. Ist im Krieg u.U. von Vorteil, aber im Krieg befinden wir uns zum Glück nicht. Um die Umgebung zu verschonen, und die größte Mannstopp Wirkung (Schock) zu erzielen, ist sogenannte Defensiv Munition (Deformationsgeschosse) zu benutzen. Diese dringen in das Zielmedium ein, pilzen auf und treten in der Regel nicht mehr aus dem Zielmedium aus. Sollte ich schießen müssen, werde ich das ohne entsprechendes Mindset nicht schaffen. Ich muss mir bewusst sein, dass alle anderen Alternativen zur Abwehr nicht erfolgversprechend sind, und die Schussabgabe die einzige realistische Methode der Notwehr ist, die mich und meine Schutzperson rettet. Diese taktischen Überlegungen müssen in Sekundenbruchteilen eine Entscheidung zur Folge haben, die Justiz dagegen hat im Nachgang Monate Zeit diese Entscheidungen juristisch zu bewerten. Im Idealfall muss ich nicht schießen, der Angreifer wird mit der Waffe in Schach gehalten oder er ergreift die Flucht. Bin ich in diesem Bereich nicht sicher, weiche ich aus, mit der Waffe in der einen, mit der Schutzperson in der anderen Hand, bis ich eine sichere Zone erreicht habe. Soviel zur theoretischen Ausbildung. Schießen stellt an sich schon viele (auch Berufswaffenträger) vor nicht geringe Herausforderungen. Das Schießen mit einer Hand und der Schutzperson in der anderen ist nochmal eine andere Liga, die ausgiebig und ordentlich trainiert werden muss.

Ihr könnt bei mir und meinen Kollegen gerne Eure Skills in Sachen Waffenhandhabung verbessern. Entsprechende Kurse (Achtung: Personenschutzschießkurse bedürfen in Deutschland einer besonderen Erlaubnis bzw. Voraussetzung) findet Ihr immer wieder auf unseren Seiten und in den sozialen Netzwerken.

HIER geht es zum ersten Teil: DAS SMS PRINZIP. DIE ABWEHR VON MESSERANGRIFFEN.

Bis vielleicht dahin, Euer Stephan Geillinger

(Master Instructor Krav Maga Defcon, Staatlich geprüfter
Instructor für Verteidigungsschiessen)

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