Schläge gegen Kameras, körperliche Gewalt gegen Personen und offen ausgesprochene Morddrohungen – im vergangenen Jahr hat sich die Anzahl der Übergriffe auf Medienschaffende nicht nur nahezu verdoppelt, sondern auch neben den sonst üblichen Delikten wie z. B. Beleidigungen, Spuckattacken und wütendem Gebrüll eine neue Qualität erreicht.

Zwar ist es in erster Linie die Aufgabe des Staates, die Pressefreiheit zu garantieren und dementsprechend auch die Sicherheit von Pressevertretern zu gewährleisten, in der Praxis sieht dies jedoch meist anders aus. Gründe hierfür sind nicht nur die nahezu unmögliche Durchführbarkeit, sondern auch die Frage ob, eine Berichterstattung, die nur unter dem Schutz der Staatsgewalt stattfinden kann, überhaupt noch als frei bezeichnet werden kann. Aus diesen und weiteren Gründen greifen immer mehr Journalisten und Medienhäuser auf die Leistungen privater Sicherheitsdienstleister zurück.

Obwohl diese Dienstleistungen meist unter dem gleichen Titel angeboten werden, unterscheiden sie sich doch erheblich vom klassischen Personen- bzw. Begleitschutz.

An allererster Stelle stehen die unterschiedlichen Zielsetzungen. Während es im klassischen Begleitschutz in erster Linie darum geht, etwaige Gefahren frühzeitig zu erkennen und diesen bestmöglich aus dem Weg zu gehen, so ist es die Aufgabe des Pressebegleiters, dem Klienten eben diese Gefahren zugänglich zu machen. Dies bedeutet auch, dem Kunden die Möglichkeit zu geben, in diesen Lagen so lange wie möglich seiner journalistischen Tätigkeit nachgehen zu können. Kommt es also z. B. zu Anfeindungen durch aufgebrachte Demonstrationsteilnehmer, so ist es die Aufgabe des Begleitschützers die Lage zu beobachten und richtig einzuschätzen ob und wenn ja, ab wann die Situation ein Einschreiten erfordert. Ein verfrühter Eingriff widerspricht der oben genannten Zielsetzung, und führt im Regelfall nicht nur zu einem unzufriedenen Kunden, sondern meist auch dazu, dass der Auftrag beim nächsten Mal an einen anderen Mitbewerber vergeben wird. Auf die möglichen Konsequenzen eines verspäteten Eingriffs muss an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden.

Sparen am Schutz ist falsch gespart

Ein weiterer Punkt ist das Personal. Wie überall wird auch hier gespart. Kommen im normalen Tagesgeschäft auch gerne mal mehrere Begleiter auf eine Schutzperson, so ist es in der Pressebegleitung meist umgekehrt. Ein Kamerateam besteht nicht selten aus 3–4 Personen, während die Begleiter sich meist schon glücklich schätzen können, wenn sie mehr als zwei Sicherheitsmitarbeiter sind. Gespart wird schließlich überall, warum nicht auch hier? Dies gepaart mit der Tatsache, dass man sich bewusst in ein potentiell feindlich gesinntes Umfeld begibt, lässt die Frage offen, inwieweit überhaupt noch gehandelt werden kann, wenn es hart auf hart kommt.

Ein trauriges Beispiel hierfür ist der Angriff auf ein Kamerateam des ZDF am 1. Mai 2020 in Berlin. Auf dem Rückweg zu den Fahrzeugen wurde die siebenköpfige Gruppe aus Fernsehteam und Sicherheitsmitarbeitern durch einen vermummten und bewaffneten Mob angegriffen. Die Bilanz waren vier Verletzte, darunter ein Begleitschützer, welcher bereits am Boden liegend bis zur Bewusstlosigkeit getreten wurde.

Und dann – wie so oft in der privaten Sicherheit – wäre da noch die Sache mit den gesetzlichen Grundlagen. Die Pressefreiheit gewährt es dem Journalisten beispielsweise auch Polizeiketten zu durchqueren, um seiner Arbeit nachgehen zu können. Ein simples Vorzeigen des Presseausweises genügt hier, und schon öffnet sich die Kette. Bislang werden jedoch zumindest vonseiten seriöser Träger – wie beispielsweise ver.di und dem Deutschen Presserat – keine Presseausweise an bedürftige Sicherheitsmitarbeiter ausgestellt. Auch „Bewacherausweis“ und Bewachungsauftrag stellen keine gesetzliche Grundlage dafür dar, den Klienten durch eine Polizeiabsperrung hindurch begleiten zu dürfen. Begleitschützer sind hier also immer auf die Kulanz der entsprechenden Polizeieinheiten angewiesen. Und was ist eigentlich, wenn die Menge durch ebendiese Polizeiabsperrung hindurch bricht? Der Journalist hat im Sinne der Pressefreiheit das Recht der Menge zu folgen, aber wie sieht es hier mit der Rechtssicherheit für die begleitenden Sicherheitsmitarbeiter aus?

Begleitschutz als relevantes Marktsegment

Letztendlich bleibt zu sagen, dass es Begleitschutz für Pressevertreter schon immer in verschiedenen Formen gegeben hat. Trotzdem hat die Relevanz dieses Marktsegments in den letzten zwei Jahren mit den steigenden Fallzahlen von Angriffen gegen Pressevertreter rapide zugenommen. Aktuell stellt diese Tätigkeit für die meisten Sicherheitsunternehmen noch immer eine Nebentätigkeit, wenn nicht gar einen „Beifang“ zu bestehenden Aufträgen, dar. Es sieht nicht so aus, als würden sich die Verhältnisse in den kommenden Jahren sonderlich verbessern. Dies zwingt die Branche dazu, sich dementsprechend weiter zu entwickeln. So müssen zuallererst nicht vorhandene Sicherheitskonzepte geschaffen werden, und Mitarbeiter entsprechend geschult und eingewiesen werden. Aber damit ist es nicht getan. Medienhäuser, Journalistenverbände, Sicherheitsunternehmen und nicht zuletzt auch die Behörden müssen zusammenkommen, um rechtliche Rahmenbedingungen entsprechend anzupassen, damit sich betroffene Sicherheitsmitarbeiter nicht weiter in juristischen Grauzonen befinden und sich voll und ganz auf ihren Schutzauftrag konzentrieren können.

Übrigens: Einer Anfrage der Bundestagsfraktion der Grünen im Jahr 2020 zufolge kam es im besagten Jahr zu 252 Straftaten gegen Vertreter der Presse. (2018: 93, 2019: 104) Ein Großteil dieser Angriffe ereignete sich während oder unmittelbar nach der Berichterstattung zu Demonstrationen und anderen politischen Veranstaltungen. Hervorzuheben sind unter Anderem 22 Fälle von Körperverletzung, 33 Fälle von Sachbeschädigung und 4 Brandstiftungen. Aber auch andere Straftaten wie beispielsweise Bedrohung, Nötigung, Raub und diverse Propagandadelikte spielten im Jahr 2020 eine nicht unerhebliche Rolle. Als Konsequenz rutschte Deutschland auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ um zwei Plätze von Platz 11 auf Platz 13. Und das trotz der im gleichen Jahr gefallenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts die weltweite Überwachung des Internetverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst (BND) für verfassungswidrig zu erklären.

Special THX an Frank Farmer für den Artikel

Die Fotos zum Artikel stammen einem Begleitschutz-Auftrag zu einer Großdemonstration in Polen.