TREMA Nord hat einen tollen Artikel über Fehler im Umgang mit Tourniquets verfasst. Wir dürfen auch den hier bringen: Die Kameraden von TACMed Australia haben eine Videopräsentation veröffentlicht, in welcher sie mit den zehn häufigsten Fehlern im Umgang mit dem Tourniquet aufräumen. Viele davon kennen wir aus eigener Erfahrung von Trainings oder Ausbildungen. Was einmal falsch konditioniert wurde, wird im Stress auch falsch abgerufen.

Die 10 häufigsten Fehler sind:

#1: Das Tourniquet wird erst angelegt, nachdem alle anderen Maßnahmen zur Blutungskontrolle (Kompression, Druckverband) nicht erfolgreich waren.

Dies mag in einem zivilen Setting nach S3- Leitlinie oder SOPs korrekt sein, jedoch in einer präklinischen taktischen Lage schlicht nicht zielführend. Hier ist Zeit gleich zirkulierendes Volumen. Besonders in den Phasen „Care under Fire“ und „Tactical Field Care“ ist das Tourniquet die erste Wahl bei kritischen Extremitätenblutungen.

#2: Das Tourniquet wird zu dicht an der Wunde angelegt

Laut Trema-Guidelines wird das Tourniquet eine Handbreit distal von Achsel oder Leiste angelegt. Es gibt dazu den Merksatz „high and tight“.
In den TCCC Guidelines wird in der Phase „Tactical Field Care“ eine Anlage 2- 3 Inches (oder 5- 7 cm) oberhalb der Blutungsquelle empfohlen. In einem zivilen Setting spricht man auch von einer Handbreit oberhalb der Blutungsquelle.

Hierbei sind besonders unter stressigen Einsatzbedingungen aber einige Fehlanlagen aufgetreten. Beispiel: Das Tourniquet wurde auf dem Knie angelegt, welches nicht komprimierbar ist.

Auf Grund der Stressstabilität empfiehlt die TREMA in ihren Guidelines die Anlage eine Handbreit distal von Achsel oder Leiste.

Auch zu beachten ist, dass bei einem Abriss der Arterie durch die Verwundung, sich diese tief proximal in die Extremität zurückziehen kann. Bei einer Anlage nur Handbreit oberhalb der Blutungsquelle binde ich unter Umständen die Arterie gar nicht ab, sodass der Verwundete z.B. weiter in einen lediglich abgebundenen Oberschenkel blutet.

#3: Nutzung von improvisierten Tourniquets (Gürtel, Bekleidung)

Wie Erfahrungsberichte zeigen, kann mittels improvisierter Tourniquets keine wirksame Kompression erzeugt werden. Versuche haben ergeben, dass 99% der improvisierten Tourniquets ohne Knebel keine wirksame Kompression erreichen konnten. Auch 30% der improvisierten Tourniquets mit Knebel konnten keine wirksame Komprimierung der Arterie erreichen. Von denen als improvisierten Knebel gewählten Materialien (z.B. Stifte) brachen 75- 80% bevor diese eine suffiziente Kompression erreichen konnten.

Ebenfalls benötigen die improvisierten Tourniquets einen wesentlich höheren Zeitansatz für die Anlage. Es ist also wieder Faktor Zeit vs. zirkulierendes Blutvolumen.

#4: Die Wunde wird nach der Anlage eines Tourniquet nicht verbunden

Hier sind das Zeitmanagement bzw. die Phasen der Versorgung von besonderer Bedeutung. Natürlich verbinden wir in der Phase „Care under Fire“ nach der Tourniquetanlage nicht sofort die Wunde. In der Phase „Tactical Field Care“ sollte bei Abarbeitung im Algorithmus bei C – Circulation, eine möglichst keimarme Versorgung der Verletzung mittels Verbandmaterial (z.B. Israeli oder Olaes -Bandage) erfolgen.

Bei einer Amputationsverletzung an den größeren Röhrenknochen (Femur, Tibia) ist es außerdem möglich, aus dem Knochen weiterhin Blut zu verlieren. Die Blutung aus dem Knochen kann mittels Tourniquet nicht kontrolliert werden. Eine Versorgung der Amputationsverletzung mittels Druckverband vermindert bzw. stoppt u.U. einen weiteren Blutverlust aus dem Knochen. In den TREMA Guidelines wird ergänzend die Ruhigstellung der betroffenen Extremität empfohlen, um die Blutgerinnung zu fördern und weiteren Blutverlust zu minimieren.

#5: Kein vernünftiges „pre-tightning“ bei der Tourniquetanlage

Dem sogenannten „pre-tightning“ kommt eine wichtige Bedeutung zu. Es beschreibt die möglichst straffe Anlage des Tourniquets um die Extremität vor dem Arbeiten mit dem Knebel.
Erklärung: Im Klettband des Tourniquet befindet sich ein weiteres Band, welches beim Arbeiten mit dem Knebel die Kompression aufbaut. Dieses Band ist jedoch endlich und verursacht ohne vernünftige Vorspannung des Klettbandes eine funktionsbeeinträchtigende Wulst um den Knebel, ohne bereits eine wirksame Kompression an der Extremität erreicht zu haben.
Wenn ich nach Festziehen und Fixieren des Klettbandes noch drei Finger zwischen Tourniquet und Extremität bekomme, dann ist mein „pre-tightning“ nicht ausreichend.

Wichtig: Es soll durch das „pre-tightning“ keine vorherige Kompression auf die Extremität erzeugt werden.

#6: Das Tourniquet wird nicht gesichert

Zur Sicherung des Tourniquets wird beim SOF-T Wide einer der beiden Tri- Rings und beim CAT das Einhängen in den Clip und die Sicherung mittels Klettband genutzt. Erfolgt keine Sicherung, kann sich der Knebel frei bewegen und sich die Kompression problemlos lösen.

Auch ist zu beachten, dass der Verwundete durch die Hypoxie des abgebundenen Gewebes zunehmend Schmerzen leidet. Wenn der Patient bei Bewusstsein ist besteht also die Möglichkeit, dass dieser sich das Tourniquet selber löst, um seine Schmerzen zu lindern. Aus diesem Grund sind eine Sicherung des Tourniquets und ein ständiges Reassessment sehr wichtig. Auch dem Themenfeld der Analgesie sollte diesbezüglich Beachtung geschenkt werden.

#7: Anlage des Tourniquet über Gelenken oder Taschen

Auf die Anlage von Tourniquets auf Gelenken sind wir schon kurz bei #2 eingegangen. Natürlich kann bei der Tourniquetanlage auf einem Gelenk keine wirksame Kompression der Arterie erreicht werden.

Speziell im polizeilichen und militärischen Bereich sind Bein- oder Oberarmtaschen gern genutzt. Vom Schreibzeug bis zum Verbandpäckchen ist dort allerlei Ausrüstung verstaut. Vorhandene Taschen, Beinholster oder Schutzausstattung sind vor der Anlage eines Tourniquets zu entfernen, da sonst ebenfalls keine wirksame Kompression der Arterie möglich ist. Die Gegenstände zwischen Extremität und Tourniquet wirken wie ein Puffer und haben negativen Einfluss auf die Kompression.

#8: Das Tourniquet wird nicht waagerecht angebracht

Anatomisch ist es nur natürlich, dass ab einem gewissen Punkt nahe der Leiste oder Achsel das Tourniquet nicht mehr waagerecht angebracht werden kann. Wird ein Tourniquet schräg an der Extremität appliziert, ist vielleicht zunächst eine wirksame Kompression zu verzeichnen. Wird der Verwundete jedoch transportiert/umgelagert kann das Tourniquet verrutschen und sich somit lösen, da durch den größeren Winkel das Band länger ist, als bei einer waagerechten Anlage. Folge: Der Patient fängt (vielleicht unbemerkt) wieder an zu bluten.

Um diese Fehlerquelle ebenfalls auszuschließen, empfiehlt die TREMA die Anlage des Tourniquets eine Handbreit distal von Achsel oder Leiste. Hier ist eine falsche Anlage auf Grund anatomischer Besonderheiten fast ausgeschlossen.

#9 Das Tourniquet ist nicht vorbereitet und jederzeit gut erreichbar

Wie auch von North American Rescue selbst schon darauf hingewiesen wurde, macht es wenig Sinn, das CAT Tourniquet in der Plastikfolie mit sich herum zu tragen. Die Folie ist zu entfernen und das Tourniquet genauso mitzuführen, wie es der Folie entnommen wurde. Der Knebel ist im Sicherungsclip, der Sicherungsklett ist offen, das Tourniquet ist zur Selbstanlage vorbereitet.

Das Tourniquet ist an der Jacke, Weste oder dem Plattenträger an einem Ort so zu befestigen, dass dieses von außen gut sichtbar und mit beiden Händen selbst gut zu erreichen ist. Zur persönlichen Ausrüstung sollten zwei Tourniquets gehören. Eines ist an der Weste zu tragen, das Zweite kann im Individuell First Aid Kit (IFAK) mitgeführt werden. Das IFAK und das an der 2nd Line mitgeführte Tourniquet sind für die Selbstanwendung bestimmt oder für die Fremdanlage beim Träger. Der Verwundete wird also initial mit seinem eigenen mitgeführten Material (TQ, IFAK) versorgt.

Die Ausrüstung und das Tourniquet lediglich im Auto oder in einem Rucksack mitzuführen kann, wenn es gebraucht wird, zu einem signifikanten Zeitverlust führen. Die frühe Anlage eines Tourniquet ist äußerst wichtig. Statistiken zeigen, dass die Überlebensrate bei Anlage eines Tourniquet erst bei hämorrhagischer Schocksymptomatik lediglich 4% betrug.

#10 Das Tourniquet wird zeitweise geöffnet, um das Gewebe zu durchbluten

Ein Tourniquet kann ohne Risiken bis zwei Stunden belassen werden. Abgesehen vom zunehmenden Hypoxieschmerz des Verwundeten birgt dies kaum Gefahren. Bei über diese zwei Stunden hinaus belassenen Tourniquets, kann eine temporäre Schädigung von Muskeln und Nerven auftreten. Ab circa 3,5 Stunden kann es zu größerflächigen temporären Schädigungen kommen. Wenn ein Tourniquet länger als 5 Stunden belassen wurde, kann ein Öffnen schwerwiegende Folgen auf den Organismus haben. Am Abbindeort haben sich über die Zeit Giftstoffe angesammelt, welche beim Öffnen in den Organismus schwemmen. Dieser Mythos kann also sogar gefährlich sein! Ein über diesen Zeitraum belassenes Tourniquet sollte nur unter ärztlicher Aufsicht und in einer Klinik mit Intensivstation (ICU) erfolgen.

Statistiken der Amerikaner aus der Operation Iraqi Freedom im Irak zeigen, dass bei 499 Verwundeten und 862 angelegten Tourniquets lediglich 1,5 Prozent periphere Neuropathien festgestellt wurden. Ebenfalls gab es keinen Verlust einer Extremität durch Ischämie.

Zusammengefasst: Das Tourniquet wurde aus einem Grund appliziert – eine lebensbedrohliche arterielle Blutung an den Extremitäten. Ein Öffnen des Tourniquets würde dringend benötigtem Volumen erlauben an der Verletzung das hämodynamische System zu verlassen. Es widerspricht also dem Grund der eigentlichen Tourniquetanlage.

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Die Videopräsentation von TACMed Australia mit Dr. Dan Pronk und Jeremy Holder. 

Der Artikel ist zuerst bei TREMA Nord erschienen. Wir dürfen die wertvollen Infos mit freundlicher Genehmigung weiterverbreiten.

Die TREMA im Internet: www.trema-europe.de