Historischer Materialismus ist nicht mehr so „in“. Hier hat er allerdings seine Berechtigung. Nicht nur bei einer Armee gilt: ganz wesentlich bestimmt das Sein das Bewusstein. Und „Sein“ ist unter anderem vor allem die Ausrüstung. Die Bundeswehr, aktuell immer in Ausrüstungsdikussionen verwickelt, weil zu wenig bzw. nicht funktionierend, hat auch mal klein angefangen. Und so ist es auch bei diesem Buch: sozusagen von den Socken aufwärts. Aber es ist alles da – in einem Buch, mit dem man Bodenbrüter erschlagen kann. Lothar Schuster dokumentiert mit „Das Ausstattungssoll der Heeresangehörigen der Bundeswehr von 1950 bis 2010“ die Ausrüstungsgeschichte des deutschen Heeres in einem reich illustrierten Band.

Hier lugt der Autor links hinter den ersten Uniformen der Bundeswehr hervor. Reserveoffizer, beruflich in der Rüstungsindustrie, als Revervist mit der Lehrsammlung der Logistikschule in Kontakt gekommen: das ist der Grundstock für dieses Buch, dann da war vieles abgelegt, was mit sachkundigem Blick die Ausrüstungsgeschichte des Heeres ausmacht. Hier die ersten Dienstanzüge.

Die Bundeswehr hat ja immer wieder mal ein selbstgewähltes Problem mit der Tradition, das damit zu tun hat, dass ihre Vorgängerarmee in der Welt sehr präsent war. Heute ist Distanzierung übrigens wesentliche leichter als damals, als die Bundeswehr gegründet wurde. Das sieht man nicht nur an den ersten Tuchmänteln …

… sondern auch an frühen Manöverfotos mit Schiedsrichter und anderen Feldgrauen, dazu das erste Tarnmuster der Bundeswehr.

Wobei, fast wäre es ja noch schlimmer gekommen. Der erste Gedanke für ein neues Tarnmuster fing beim damals modernsten Tarnmuster an, dem Leibermuster. Diese erste IR taugliche Camouflage sollte ja 1945 einheitlich bei Heer und Waffen SS eingeführt werden – schaffte es in der Gründungsphase der Bundeswehr in die Testung, weiter nicht. Die Schweizer haben dann ja erfolgreich ein Derivat davon eingeführt. Schuster dokumentiert hier genau die ganze Geschichte. Sehr spannend!

Verschiedene Muster aus der Anfangszeit, das Buch beschriebt auch hier jeweils großartig die Gedanken dahinter, egal ob Splittertarn in zwei Varianten oder ein Muster das an das russische Amoeba angelehnt zu sein schien, es heißt auch Amöbentarn.

Wer Tarnmuster liebt, liebt auch dieses Buch: Vom Feldgrau der Bundeswehr (li.) bis hin zum neuen, aktuellen Flecktarn war auch wirklich ein weiter Weg. Schuster kann in den Buch die Versuchreihen dazu dokumentieren.

Und das macht richtig Spaß das anzuschauen, denn da gab es viele verschiedene Variationen, die getestet Wrede wollten. Das deutsche Heer ist da sehr wissenschaftlich und akribisch, hier S4 im Feldtest. Sehr fraktal!

Das Material im „Ausrüstungssoll“ ist sehr dicht: hier der klassische graue Feldanzug und die Fotos aus den Testreihen dazu. Auch Flecktarn ist nicht gleich Flecktarn. Bei so viel Flecken kann man anständig spielen, bis die Mischung passt.

Vom Wintertarnanzug bis zur gesamten Einsatzbekleidung ist hier alles vorhanden, was die Bundeswehr angezogen hat.

Die meiste Zeit war ja grau, aber selbst das waren verschiede Schnitte, wie man allein an diesen Bildern erkennen kann. Wer Ausrüstung liebt, hat hier nicht nur einiges zu lesen, sondern kann auch viel an den Bildern studieren.

Und auch bei den Flecken gibt einiges unter der Sonne. Gewand für die heißen Klimate, immerhin wird die Sicherheit Deutschlands ja am Hindukusch verteidigt. Niemand wußte, wie recht der Mann hatte …

Die Geschichte der modernen deutschen Helme ist im „Ausrüstungssoll“ natürlich auch niedergeschrieben und abgelichtet.

Sexy! Das waren jene Zeiten, wo lange vor Funktionsunterwäsche noch Feinripp zum Zug kam.

Da kommen keine feuchten Gedanken auf. Schuster hat weder den Schlafanzug noch den Regenschutz ausgelassen. Vor allem links gilt: Mode ist eine Tochter der Zeit.

Gürtelschnallen sind auch ein weites Feld.Selbst hier ist die Bundeswehr in ihrer Geschichte vielfältig.

Schuhe, Schuhe, Schuhe … Nicht nur die Damen stehen auf gute Beinkleider.

Und erst die ganzen Gegenstände des soldatischen Alltags: Feldflaschen und Feldgeschirr. Rechts ein großes Stück Konstante in der deutschen Militärgeschichte.

ABC Schützlinge in der Bundeswehr. Gasmasken und anderes Material, viel beübt und Gottseidank nie gebraucht.

Der gefährlichste Gegenstand im Besitz des deutschen Bundeswehrsoldaten: das Liederbuch. Es kann ständig zu Diskussionen führen, aus welchem historischen Bestand ein Lied kommt. Techno abspielen im Feld hat sich ja dagegen noch nicht durchgesetzt …

Schuster zeigt auch die vielen Abzeichen der Bundeswehr …

… und wer von dem Buch allein noch nicht genug hat – warum auch – dem Band liegt eine Daten-CD bei mit folgendem Inhalt bei:

– Entwurf Anzugsordnung 1955 – Auszug
– Wochenschau 1955
– Uniformtafeln 1956 – Auszug
– Pflegeanleitung Bekleidung 1958
– Vorläufige Versorgungsartikelliste Bekleidung 1959- ZDv 37-10 von 1959

FAZIT: Dieser Ziegel hat es in sich. Lothar Schuster hat, man muss es sagen, ein Standardwerk geschaffen, das für jeden Pflicht ist der sich für Ausrüstungsgeschichte interessiert. Das ist so spannend, wie bei jeder Geschichte, weil man so Entwicklungslinien versteht. Für „Das Ausstattungssoll der Heeresangehörigen der Bundeswehr von 1950 bis 2010“ gibt es eine klare SPARTANAT Leseempfehlung!

Das Ausstattungssoll der Heeresangehörigen der Bundeswehr von 1955 bis 2010“ von Lothar Schuster in Zusammenarbeit mit der Lehrsammlung der Logistikschule der Bundeswehr, Verlag Zeughaus, Berlin 1911, 373 reich bebilderte Seiten, Euro 59,95

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