Ein umstrittenes Security-Projekt der OMV-Tochter Petrom rückt immer näher an die Chefetage des Mineralölkonzerns heran. Einst wurden hunderttausende Euro in ein dubioses Netzwerk aus Anwälten, einer deutschen Privatagentin und einer Management-Beraterin aus Wien einbezahlt. Nun gibt es eine neue Spur zu OMV-Vorstand Johann Pleininger. Sechster Teil der Spurensuche von ADDENDUM im Geheimdienst-Milieu.

Wer ist „Otto“? Das will Addendum seit Wochen vom Mineralölkonzern OMV wissen. Seit bei Recherchen zum Agentenkrimi rund um die deutsche Nachrichtenhändlerin Christina Wilkening dieser Name auftauchte.

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Einen Tag später folgt ein weiteres Mail an Wilkening: „Otto und ich haben darüber lange diskutiert. […] sollte einmal alleine darüber nachdenken. Wir haben derzeit und auch später mit Peter keinen weiteren Bedarf. Ich bin bereit, ihn noch bis 31.12. mitzufinanzieren. Dann aber ist es endgültig aus. Otto überlegt eine Klage. Ich habe ihn bisher davon zurückgehalten.“

„Otto“ hier, „Otto“ da – „Otto“ überall?

„Otto“ ist also so wichtig, dass ein Termin verschoben werden muss, wenn er keine Zeit hat. Mit „Otto“ wird besprochen, wie die Verrechnung gestaltet werden soll. „Otto“ entscheidet, ob jemand geklagt wird oder nicht. Kurz gesagt: „Otto“ war für das Projekt, um das es in diesen Mails gegangen ist, von zentraler Bedeutung. Ganz offenbar traf er wesentliche Entscheidungen. Dabei ging es bei diesem Projekt, das den Namen „Scout“ trug, nicht um Peanuts, sondern um hunderttausende Euro, die über dubiose Kanäle aus dem Konzern bzw. der Tochter Petrom geschleust und an Personen, die zum Teil im Dunkeln gehalten wurden, verteilt werden sollten. Wohlgemerkt: Die OMV gehört zu knapp einem Drittel den österreichischen Steuerzahlern, und die dürfen dann schon ein Höchstmaß an Transparenz erwarten.

Addendum berichtete Anfang Mai 2018 ausführlich über „Scout“.

Die wesentlichen in „Scout“ involvierten Personen:

Christina Wilkening: Die „Unternehmensberaterin“ aus Berlin war in frühen Jahren unter dem Codenamen „Nina“ für die Stasi tätig. Später arbeitete die heute 71-Jährige als Privatagentin und verdiente damit Millionen. Anfang 2017 wurde sie zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einen deutschen Kriminalkommissar für Recherchen am Polizeicomputer und für andere Dienstleistungen bestochen hatte. Dabei ging es unter anderem um das Projekt „Scout“ für die OMV-Petrom.

Heinz-Peter Hahndorf: Der Kriminalhauptkommissar aus Mecklenburg-Vorpommern ließ sich von Wilkening für verbotene Aktivitäten bezahlen. Alleine für das Projekt „Scout“ erhielt der heute 62-Jährige von der Agentin über mehrere Jahre hinweg insgesamt 265.000 Euro. Auch hier nahm er illegal Personen- bzw. Kfz-Abfragen vor. Hahndorf sollte jedoch auch ein Konzept zur Eindämmung von Öl-Diebstählen in Rumänien entwickeln. Das ist wohl nicht verboten. Allerdings gab der deutsche Kriminalkommissar vor Gericht selbst zu, auf diesem Gebiet fachlich „total unbeleckt“ gewesen zu sein.   

Barbara Schütze: Die NLP-Trainerin und Kommunikationsberaterin aus Wien arbeitet seit Jahrzehnten auch als Coach für Top-Manager. Sie schrieb die eingangs zitierten E-Mails, in denen von „Otto“ die Rede war. Fraglich ist, warum eine PR-Fachfrau aus Österreich zentral in ein Security-Projekt eines internationalen Mineralölkonzerns mit Fokus auf Rumänien involviert ist. Gemeinsam mit Rechtsanwalt David Kubes war Schütze Eigentümerin der rumänischen Sicherheitsfirma Delta Security Consulting S.R.L.

David Kubes und Thomas Passeyrer: Die beiden Rechtsanwälte aus Wien fungierten laut einem Schütze-Mail als Treuhänder jener Firma, über die das Projekt „Scout“ mit dem OMV-Konzern abgerechnet wurde. Im Mail steht: „1. die GF Dr. Kubes und Mag. Passeyrer sind und waren immer schon die TREUHÄNDER der ENP, um XY (eine involvierte Person; Anm.), invisible zu halten. Sie haben immer den Kontakt zu OMV gehalten und dort die Rechnungen gelegt, die XY vorgegeben hat.“

Aber wer ist „Otto“?

„Otto“ ist ein Deckname: für eine Person, die bei einem derartigen Projekt offenbar nicht mit echtem Namen auftauchen sollte. Wie berichtet, hatten Addendum-Recherchen starke Hinweise darauf ergeben, dass es sich bei „Otto“ um OMV-Vizechef Johann Pleininger handelt. Addendum fragte bereits damals bei der OMV und bei Pleininger nach, ob das stimmt. Die Reaktion: keine Antwort. Bis heute.

Dass ein an der Börse gelisteter Konzern wie die OMV keine Auskunft darüber gibt, ob sein stellvertretender Generaldirektor unter einem Tarnnamen in ein fragwürdiges Projekt involviert war – oder eben nicht –, verwundert. Oder auch nicht. Schließlich ist in einem der internen E-Mails auch davon die Rede, dass Geld „direkt umgeleitet und ‚verschleiert‘ verteilt“ werden sollte.

Unter der Rückbank eines VW Bora

Mittlerweile gibt es eine neue Spur. Die hat mit dem Auftauchen einer Festplatte zu tun. Eines Datenträgers, der einst – gut getarnt – unter der Rückbank eines VW Bora versteckt war.

Es handelt sich um eine Festplatte von Ex-Kommissar Hahndorf, auf der Daten zu Projekten mit Agentin Wilkening gespeichert waren. Unter anderem auch eine Excel-Datei mit dem Namen „1-Telefonverzeichnis-NEU“. Addendum liegt ein Ausdruck vor. Es finden sich darauf nicht nur Barbara Schütze und Proponenten des Wilkening-Netzwerks, sondern auch andere schillernde Persönlichkeiten: etwa ein ehemaliger Chefausbildner des Mossad, die Sicherheitschefin eines Automobilkonzerns und die Forensikchefin eines bekannten Wirtschaftsprüfungsunternehmens.

Auf Seite 2 gibt es auch einen Eintrag mit der Bezeichnung „OTTO“.

„Otto“, der Rumänien-Experte

Der Liste zufolge hatte „OTTO“ eine österreichische Handynummer. In einer Spalte mit „Bemerkungen“ steht: „Vorstand Exploration PETROM“. Das engt den Kreis der in Frage kommenden Personen sehr stark ein.

Otto – eigentlich: Johann – Pleininger war von 2007 bis 2013 Explorationsvorstand der Petrom. Und Ex-Kommissar Hahndorf, der für Pleininger ein persönliches Sicherheitskonzept erstellen sollte, war von 2008 bis 2011 für das mehr als zweifelhafte Projekt „Scout“ tätig.

Text & Bild: Addendum.

Addendum Artikelserie SPIONAGE: 

Die Einleitung auf SPARTANAT: Eine Geheimagentin im Sold der Konzerne und ihre Spur ins BVT

Teil 1: Die Österreich-Connection der Nachrichtenhändlerin

Teil 2: Sie lagen im Rumänien im Sumpf

Teil 3: Wie das System „Nina“ aufflog

Teil 4: Agentenkrimi um Ölfirma: Die Justiz ermittelt gegen den Brigadier

Teil 5: Die Agentin, der russische Politiker und sein Anwalt

More to come …

Dieser Artikel wurde zuerst auf ADDENDUM veröffentlicht. 

ADDENDUM im Internet: www.addendum.org