Brasilien ist für seine traumhaften Strände, die leichte Lebensart und den bunten Karneval berühmt aber eben auch berüchtigt für die extrem hohe Kriminalität und das scheinbare Unvermögen der Sicherheitsorgane diese einzudämmen. In allen größeren Städten des Landes behauptet sich die unüberschaubare Banden- und Drogenhändlerszene seit vielen Jahren durch brutalste Gewaltanwendung. Der schnelle Einsatz von Schusswaffen seitens der kriminellen Täter, erfolgt bereits bei „normalen“ Straftaten wie Taschendiebstahl, Einbrüchen und Raubüberfällen in skrupellosester Form. Allein in Rio de Janeiro wurden in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits 2.723 Menschen ermordet. Alle bisherigen Strategien, Aktionen und Kampagnen der Sicherheitskräfte von Polizei und Militär zeigten keine nachhaltige Wirkung.

Vom Leichten zum Schweren. Die Teilnehmer wurden in Teilschritten an das Schießen in der Dunkelheit gewöhnt.

Die Hauptopfer-Gruppen, meist aus dem gehobenen Mittelstand, suchen händeringend nach effektiven Möglichkeiten sich und ihre Angehörigen vor den bewaffneten Banden zu schützen. Daher beantragen immer mehr Betroffen eine Erlaubnis Schusswaffen zu tragen und besuchen sinnvollerweise zusätzlich Heimverteidigungskurse und Schießlehrgänge.

Wesentlicher Teil: Taktische Raumaufklärung und Bewältigung von Gefahrenbereichen wie Treppenhäuser, Türen und Flure.

CETTAS International ist durch Funk und Fernsehen einer der bekanntesten Anbieter für diese Art Kurse im südamerikanischen Brasilien. Auch hier hat das Gütesiegel „Made in Germany“ einen guten Ruf und steht für hohe Qualität. Auf einer Fläche von 10.000 m² bietet CETTAS International einsatzorientierte Ausbildungsprogramme für Strafverfolgungsbehörden, Militär- und Polizeiangehörige sowie für Zivilisten an. Für eine realitätsnahe Ausbildung stehen sechs unterschiedliche Schießstände (bis 300 m), eine Häuserkampf- Anlage mit Nachbildung einer engen und verwinkelten Favelas-Siedlung zur Verfügung. Des Weiteren auch eine taktische Fitnessanlage, Klassenräume, Gästezimmer und ein Catering-Service. Hier finden regelmäßig Ausbildungen für verschiedene Polizei- und Militäreinheiten statt. Vor kurzem wurde noch der neugebaute Kletter- und Abseilturm in Betrieb genommen.

Vor dem praktischen Teil kommt immer die Theorie.

Der ehemalige Fallschirmjäger-Kommandosoldat/B1 Thomas Schröder war bereits 1999 nach Südamerika ausgewandert und hatte bereits im darauffolgenden Jahr das Projekt CETTAS International (Centro de Treinamento Tatico e Seguranca) mit Lutz Hauske gegründet. Die deutsche Zweigstelle (CETTAS Europe) wird dabei von Hauske betrieben und gilt Kennern als Center of Excellence. Als ehemaliges Mitglied einer behördlichen Anti-Terroreinheit brachte auch er umfangreiches Können und Wissen mit. Beide standen unserem SPARTANAT-Reporter Udo Lücken für ein Interview zum aktuellen und neuen „Tactical Pistol & Home Defense“ Kurs zur Verfügung.

Lutz Hauske, CETTAS Europe, ist als gründlicher, praxisorientierter Ausbilder bekannt.

SPARTANAT: Am 19. – 20. August 2017 fand auf dem Trainingsgelände von CETTAS Brasil ein intensives Training für die taktische Heimverteidigung statt. Was war der Inhalt und Ziel dieses Kurses?

Thomas Schröder: Die drängende Nachfrage der Teilnehmer war ein echter Hilferuf. Die Bandenkriminalität in den zurückliegenden Jahren ist bedenklich gestiegen. Fast jeder hier war schon Opfer eines Überfalls. Als grobe Überschrift kann man sagen, unser Ziel war/ist es, dass der Teilnehmer im Anschluss an den Kurs in die Lage versetzt wurde, seine Waffe auch unter Stress sicher zu handhaben, taktisch effektiv zu arbeiten , und eine sichere Ersttreffer-Wahrscheinlichkeit erzielen kann.

SPARTANAT: Was unterscheidet den Kurs-Teilnehmer von denen in/aus Europa/BRD?

Thomas Schröder: Zum einen sind die Teilnehmer dieses Kurses keine Sportschützen. Jeder von ihnen will sich nur im Umgang mit der Schusswaffe weiterbilden zum Eigenschutz bzw. Schutz der Familienmitglieder, sowie dem Eigentum. Auf Grund der Sicherheitslage bringen sie eine sehr hohe Eigenmotivation mit. Fast jeder der Teilnehmer bzw. deren Angehörigen wurden schon Opfer von Gewaltverbrechen.

Thomas Schröder und Lutz Hauske besprachen nach jedem Durchlauf die Fortschritte oder Fehler in der Gruppe.

SPARTANAT: Wie ist die rechtliche Situation in Brasilien für die Selbstverteidigung?

Thomas Schröder: Die rechtliche Gesetzgebung (Notwehr, Notstand, rechtfertigender Notstand, Exzessiver Notstand, Nothilfe) sind nahezu identisch mit der deutschen Gesetzgebung. Die zur Selbstverteidigung genehmigten Waffen dürfen hier nicht außerhalb der Wohn- oder Arbeitsstätte geführt und transportiert werden. Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen sind im Prinzip ohne Beschränkungen möglich. Die Nutzung von Zielmedium jeglicher Art, das verdecktem tragen der Waffe, die Nutzung von Deckungen, schießen bei Tag und Nacht sowie unter körperlichem Belastung und Stress, sprich Verteidigungsschiessen ist nicht restriktiert … lediglich erschwert durch die hohen Munitionskosten. Leider gibt es auch bei uns in Brasilien seriöse bzw. professionelle Anbieter von Ausbildungs- und Schiessschulen nicht in ausreichender Anzahl.

Lutz Hauske machte praktisch vor, der Kurs machte nach.

SPARTANAT: Welche Waffen und Munitionsarten sind zugelassen?

Lutz Hauske: Meist Kurzwaffen von nationalen Waffenherstellern (Taurus, Imbel, Rossi). Es werden fast ausschließlich Selbstladepistolen verwandt, da Revolver stark an Popularität verloren haben. Internationale Waffen wie Glock und Heckler&Koch sind wegen der sehr hohen Preise hier eher selten. (Kosten Glock 3500,00 €). Für die Verteidigung sind nur noch das gesetzlich vorgegebene Kaliber 9mm kurz (.380 ACP) zugelassen, die wirkstarke 9×19 Para somit Verboten. Zusätzlich wird durch den Staat die Munitionsmenge für Privatpersonen für die Selbstverteidigung (Registriert durch BP) auf 50 Schuss pro begrenzt.

Im diffusen Licht musste das Zielmedium vor der Schussabgabe immer erst klar als „shooting“ or „no shooting“ Target identifiziert werden, was ein sehr hohes Maß an Konzentration erforderte.

SPARTANAT: Auf welche Distanzen schießen die Teilnehmer und auf welchen Scheibentyp?

Lutz Hauske: Da sich die meisten Überfälle in einer Wohnung, dem Haus oder Geschäft abspielen, haben wir die Distanzen bei 1 – 7 m festgelegt, alles im Kontext mit den Anwendungen beim Home Defense. Wir verwenden verschiedene Papier und Metall Targets mit Körperabbildungen.

Der kritische Blick des Ausbilders. Hauske hat ein Auge fürs Detail.

SPARTANAT: War die Kurs-Übungen dynamisch?

Lutz Hauske: Auf Grund der durchgeführten Übungen wurden den Teilnehmer im weiteren Verlauf komplexe Übungen abverlangt, welche sowohl dynamisch und bewusst stressvoll waren. Es wurde dabei von uns großer Wert auf ein systematisches und überlegtes Handeln gelegt. Um jeden Teilnehmer individueller betreuen zu können, hatten wir die Teilnehmerzahl auf 14 Mann begrenzt und die Zahl der Ausbilder/Aufsichten auf drei erhöht. Das bewährte sich schon bei früheren, komplexeren Ausbildungsthemen.

Schießen aus der Deckung. Enge Anlehnung an die Einsatzrealität bestimmte die Übungen.

SPARTANAT: Wie muss ich mir den Kursablauf bei einem so komplexen Thema wie der Heimverteidigung/Homedefense vorstellen?

Lutz Hauske: Bei der Planung und Durchführung des Kurses, welchen wir bewusst als „Tactical Pistol & Home Defense“ Kurs bezeichneten, konzentrierten wir uns auf den taktischen Einsatz der Kurzwaffe in einer konkreten Home Defense Situation. Dies sollte natürlich nicht nur ein „praktischer Schießlehrgang“ sein, sondern auch die Vermittlung von theoretischen Grundlagen für eine zu erwartende Home Defense Situation standen im Vordergrund. Hierbei ging es sowohl um die mentale als auch persönliche Vorbereitung auf eine solche Grenz-Situation unter Berücksichtigung der vorhandenen wohnlichen Gegebenheiten. Dies umfasst u.a. die Erarbeitung eines aktiven bzw. passiven Verteidigungsplanes, die Nutzung von vorhandenen Deckungen, Installation von Sicherheitszonen- /Räumen, rechtliche Grundlagen zum Einsatz der Schusswaffe sowie die Kommunikation mit der Polizei und das Verhalten beim Eintreffen dieser. Besonders wichtig war uns natürlich, dass alle diese Maßnahmen unter Einbeziehung von möglichen Familienangehörigen stattfinden und für diese auch konkrete Verhaltensregeln festgelegt werden.

Bei der praktischen Schießausbildung sind wir davon ausgegangen, dass die Teilnehmer lediglich Grundfähigkeiten im Umgang mit ihren Waffen mitbringen. Also erfolgte als erstes eine Befähigungsüberprüfung und Sichtung der mitgebrachten Waffen und Ausrüstung. Dadurch konnte eine realistische Einschätzung des Leistungsniveaus jedes einzelnen Teilnehmers vorgenommen werden. Hierbei gaben wir auch Tipps zu Waffen, Holstern und sinnvollen, einsatzrelevanten Taschenlampen.

Falsche Handhabung oder Körperhaltung wurden sofort angesprochen und korrigiert.

In der weiteren praktischen Schießausbildung lag der Schwerpunkt auf dem sicheren Einsatz der Kurzwaffe. Hierbei wurden Grundlagen- sowie fortgeschrittene Schießtechniken vermittelt und trainiert, wie z. B. Bereitschafts- und Sicherungspositionen mit der Kurzwaffe, der schnelle erste Schuss, entschlossene und effektiver Trefferplatzierung, Erkennen und Beseitigen von Waffenstörungen, Nachladetechniken, Prinzipien des Schnellschiessens (Speed Shooting), Mehrfachschussabgabe, Mehrfachzielbekämpfung sowie konventionelle und unkonventionelle Schiesspositionen mit und ohne Deckung.

Nach einem typisch brasilianischen Grill-Abendessen, stieg der Adrenalinspiegel für die Männer in den Abendstunden deutlich höher. Das Schießtraining bei niedrigem Lichtniveau bzw. bei vollständiger Dunkelheit (low light – no light) unter Einsatz einer handgestützten Weißlichtlampe forderte nochmals die ganze Konzentration der Kursteilnehmer, aber auch von uns Ausbildern.

Am zweiten Tag folgte der „taktische“ Ausbildungsabschnitt, wo unter anderem die Verwendung von Deckungs- und Raumdurchsuchungstechniken im Kontext in einer Home Defense Situation trainiert und umgesetzt wurde. Auf einer speziellen Schießanlage mit entsprechenden vorhandenen Räumen und Zieldarstellungen wurden die praktischen Abläufen überprüft, vertieft und letztendlich verankert.

Während des Kurses haben wir die Teilnehmer gezielt dafür sensibilisiert, das ganze Erlernte individuell auf ihr Haus/Wohnung, das Grundstück oder den Arbeitsbereich umzusetzen. Zum Beispiel; wo deponiere ich die Waffe und die Taschenlampe, wo sind Hindernisse und potentielle Stolperfallen, wo mögliche Deckungen für mich – aber auch für den Angreifer.

Ausbilder und Hilfsausbilder waren immer nah am Schützen.

Ein erwähnenswerter Punkt ist noch der Abschnitt der FAST/TTT Protokolle. Das sichere, intuitive Abspulen dieser Abläufe wurde von uns auf diesem Kurs immer und immer wieder drillmäßig abgerufen, energisch angesprochen und ggf. auch angemahnt.

Das war jetzt nur eine kurze und unvollständige Zusammenfassung dieser zwei intensiven Tage. Das Ziel dieses Trainings ist letztendlich die sichere Praxis bei fortgeschrittenen Schießtechniken aus verschiedenen Entfernungen, um schnelle Ersttreffer in high-stress-Situation in vitalen Trefferzonen zu erreichen. Kernpunkte waren Nahbereichs-Verteidigungsschießen und schießen aus der Deckung bzw. in Bewegung. Wir sehen uns mit der Resonanz dieses Intensiv-Kurses bestätigt und sind hochzufrieden mit dem Ergebnis.

SPARTANAT: Was sind die nächsten Termine/Vorhaben 2017?

Lutz Hauske: Jetzt aktuell steht die Durchführung vom fortgeschrittenen Kurs „Vehicle and Pistol operation“ im Oktober 2017 auf dem Plan, sowie auf Grund der hohen Nachfrage weitere Home Defense Kurse in Deutschland und Brasilien. Natürlich weiterhin die regelmäßigen Ausbildungsmaßnahmen für Behörden (Polizei/Militär) in Brasilien.

SPARTANAT: Vielen Dank für das Interview. Wir werden CETTAS weiter mit Reportagen begleiten.

Autor: Udo Lücken, Bildstrecke: CETTAS International/Europe

Als Anerkennung erhielten die 14 Teilnehmer ihr Zertifikat.

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