Es ist ein mitleiderregendes Bild, das sich im Camp Kassai – der einzigen benutzbaren Kaserne der FACA (Forces Armées Centrafricaine) – bietet. In einer Ecke lehnen ein halbes Dutzend Gewehre: vier angerostete Karabiner, eine Pump-Gun und ein undefinierbares, offenbar selbst zusammengeschraubtes Etwas, die allesamt nicht so aussehen, als ob sie auch nur einen Schuss abfeuern könnten. Wo es Magazine gibt, sind sie notdürftig mit Gaffa-Tape fixiert, als Trageriemen müssen ausgefranste Plastikschnüre herhalten.

Wer glaubt, vor dem Lager für ausrangierte Ausrüstung zu stehen, irrt freilich: Das hier sind die einzigen Waffen, die dem besten Infanteriebataillon der FACA zur Verfügung stehen. Nicht nur, dass sie über praktisch keine Gewehre und Pistolen verfügt; sie hat auch keine Fahrzeuge, weder gepanzert noch ungepanzert – geschweige denn Flugzeuge. In der Kaserne rotten bloß ein paar Wracks vor sich hin: alte russische Mannschaftstransporter, ein entkernter Helikopter, eine kaputte Kanone.

Die Armee der Zentralafrikanischen Republik, einem Land von der Größe der Ukraine, ist mehr oder minder wehrlos. Das liegt an einem einigermaßen bizarren Waffenembargo, das die internationale Gemeinschaft verhängt hat, nachdem vor drei Jahren bürgerkriegsähnliche Zustände ausgebrochen waren.

Damals war eine aus mehreren Milizen zusammengesetzte Rebellenarme unter der Bezeichnung Séléka (Koalition) auf die Hauptstadt Bangui vorgerückt. Dass die Kämpfer vorwiegend aus Muslimen bestanden, hatte allerdings weniger religiöse als politische Gründe: Ihre Heimat, der Nordosten des Landes, wurde in den vergangenen Jahrzehnten von den Regierungen komplett vernachlässigt – ein Phänomen, das in Afrika häufig zu beobachten ist und zu Aufständen oder Umstürzen führt. Den Séléka stellten sich die christlichen Anti-Balaka entgegen.

Was folgte, waren ein Gemetzel mit tausenden Toten und ein multinationaler Einsatz von französischen Einheiten im Rahmen der Operation Sangaris und UN-Truppen der MINUSCA. Sie konnten die Krise zwar eindämmen, aber nicht völlig beenden. In den Jahren seit 2013 forderten bewaffneten Auseinandersetzungen, zuletzt im vergangenen Herbst, immer wieder zahlreiche Menschenleben – auch unter den internationalen Friedenstruppen. Zweimal wechselte die Regierung, der vor kurzem neu gewählte Präsident hat gerade wieder eine neue zusammengestellt. Insgesamt ist die Lage im Land äußerst instabil.

Dazu kommen Sanktionen, die „Verkauf oder Ausfuhr von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial … in die Zentralafrikanische Republik“ und die „Erbringung Technischer Hilfen und Vermittlungsdienste sowie der Erbringung von Finanzhilfen im Zusammenhang mit Rüstungsgütern und der Bereitstellung bewaffneter Söldner“ untersagen.

Das Abstruse daran: Das Embargo trifft die FACA – aber natürlich nicht die Milizen. Während der Krise hatten sich die Streitkräfte mehr oder weniger aufgelöst: Desertierende Soldaten, die auf die eine oder andere Seite wechselten, nahmen den Großteil der Ausrüstung mit. Derzeit verfügen die Streitkräfte über rund 7000 Mann, von denen nach Einschätzung eines Insiders nur rund 4000 halbwegs einsatzfähig sind.

Ihnen stehen zehntausende (wie viele es genau sind, weiß niemand so recht) Angehörige der Séléka und Anti-Balaka gegenüber, welche die meisten der früheren FACA-Kasernen besetzt halten. Eigentlich sollten sie im Zuge eines DDR-Prozesses (Disarmament, demobilization and reintegration) ihre Waffen abgeben; dem sind bislang aber nur die wenigsten nachgekommen. Wer immer ihre Anführer und Hintermänner sind: sie halten sich damit die Option offen, politische Benachteiligung bei der Verteilung von Macht, Einfluss und Posten durch Gewalt zu bekämpfen.

Die FACA hat aber nicht nur Probleme mit der Ausrüstung. Struktur und Organisation fehlen ihr ebenfalls weitgehend. Die Soldaten werden nicht verpflegt und können nicht in den Kasernen – die im übrigen über keinerlei Absicherung durch Zäune, Mauern oder Sperren verfügen – übernachten. Das macht sie auf dem Weg von und nach Hause zu leichten Opfern. In den vergangenen Jahren wurde auch ihr Sold nur unregelmäßig ausbezahlt. Die Befehlskette war zusammengebrochen, Korruption allgegenwärtig. Inzwischen hat eine EU-Militärmission, die EUMAM RCA (EU military advisory mission in the Central African Republic), einige Fortschritte dabei erzielt, den FACA zumindest wieder eine grundsätzlich Organisation zu geben: allerdings nur auf nicht-operationellem Gebiet. Die EUMAM endet in Kürze, wird aber durch die Nachfolgemission EUTM (EU military training mission) ersetzt, die der Armee auch taktische Ausbildung bieten soll. Bislang können die FACA nur für untergeordnete Aufgaben eingesetzt werden. Alles, was über einfache Wachdienste hinausgeht, müssen französische Truppen oder UN-Einheiten übernehmen.

Wünschenswert wäre es, dass die Zentralafrikanische Republik über eine professionelle Armee verfügt, die tatsächlich den Schutz des Staates, der Demokratie und der legitimen Institutionen des Landes übernehmen kann. Wieviel davon realistisch erreicht werden kann, ist fraglich.

Aus UN-Kreisen ist jedoch zu hören, dass auch das Waffenembargo schrittweise zurückgenommen werden soll. Dann könnten die Angehörigen der FACA darüber nachzudenken beginnen, wie es tatsächlich wäre, eine Armee zu sein.

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