Im Jahre 1990 wurde durch den damaligen Kommandeur der 1. Luftlandedivision der Bundeswehr, Generalmajor Bernhardt, eine Weisung zur Ausplanung des Luftlandeverbandplatzes und der luftbeweglichen Arzttrupps erlassen, erinnert sich Carsten Dombrowski an der Entwicklung hin zum Combat First Responder in der Bundeswehr: Ziel dieser Weisung war es, die Befähigung zur sanitätsdienstlichen Versorgung springender oder luftgelandeter Luftlande/Fallschirmjägertruppen unmittelbar am Ort des Einsatzes sicherzustellen. Wie jedoch kam es zu dieser Entscheidung, weit bevor die Bundeswehr selbst über moderne Konzepte des heutigen Einsatzes von SOF (Special Operations Forces) Medics und FST (Forward Surgical Team) im Rahmen von Spezialkräfteoperationen verfügte?

Das Jahr 1990 war grundsätzlich geopolitisch vom Zerfall des Ost-Westkonfliktes, also dem Ende der Ära des Kalten Krieges gekennzeichnet. Starre Strukturen, die in einem Blockkonflikt mit Frontverläufen und einer atomaren Abschreckung über Jahrzehnte funktioniert hatten. Der Weg des Verwundeten war klar definiert, die Sanitätstruppe und der Truppensanitätsdienst der Organisationsbereiche eingeübt.

Hohe Flexibilität bei der 1. Luftlandedivision

Die 1. Luftlandedivision, sowie die 1. Gebirgsdivision waren aber auch in dieser Zeit schon eine Ausnahme. Flexibilität und angepasste, lageabhängige Operationsweise waren Kennzeichen dieser elitären Verbände. Die Luftlandedivision mit der Befähigung zum Fallschirmsprungeinsatz hob sich nicht nur durch Waffenstolz, sondern auch durch die tatsächliche Leistungsfähigkeit im Vergleich mit anderen Heeresverbänden ab. Fallschirmjäger zu sein, bedeutet etwas. Persönliche Härte in Kauf zu nehmen, aber auch die notwendige Motivation im Dienstalltag mitzubringen.

Das galt in großen Teilen auch für die in dieser Division eingesetzten Sanitäter. Gegliedert in 3 Luftlandesanitätskompanien (250/260/270) der Luftlandebrigaden 25, 26 und 27, stellten diese Kompanien den Hauptkader der Sanitätskräfte dar. Darüber hinaus verfügte jedes der Fallschirmjägerbataillone, über einen integrierten Truppensanitätsdienst. D.h. jede Fallschirmjägerkompanie hatte zwei Sanitätsunteroffiziere plus Mannschaften, die für die sanitätsdienstliche Versorgung der Kampfkompanien verantwortlich waren. Man kannte sich und wusste wie der andere funktioniert. Dieses sog. Colourverhältnis hatte sich bewährt und war erprobt.

Auf dem Truppenverbandplatz kam der Bataillonsarzt mit seinem San Gruppenführer zum Einsatz. All das war sehr frontnah. Auf Höhe des Bataillonsgefechtsstandes, also ca. 3 bis 5 Kilometer hinter dem VRV (Vorderer Rand der Verteidigung). Nachdem aber die Stärke der Luftlandekräfte schon damals in einer hohen Flexibilität und durch die
Luftverlade/Luftlandebefähigung in der Schnelligkeit lag, war klar, dass auch die eingesetzten Sanitäter entsprechend ausgebildet und ausgestattet werden mussten. Sollten diese doch nicht der Klotz am Bein sein. Allen war klar, dass die Kampftruppe sehr genau darauf achten wird, wie gut ihre Sanitäter mithalten können. Deshalb war diese Weisung, erlassen durch General Bernhardt eine logische und folgerichtige Entscheidung.

Helikopter oder Sprungeinsatz

Erprobt wurden die unterschiedlichsten Verfahrensweisen. Der Schwerpunkt lag aber stets bei der Materialverlastung. Sprungeinsatz oder Anlandung mit CH 53, sowie Bell UH 1 D waren bekannte Verfahren. Welches, wieviel und wie verpacktes Material mitzuführen, waren eher die Problembereiche. Im Sprunggepäck oder im Lastensack waren nur begrenzte Materialressourcen verfügbar. Separat abgeworfenes Material geriet in Gefahr, verloren zu gehen. Eine Problematik die allen Fallschirmeinheiten weltweit gemneinsam hatten und haben.

So wurden in der Verantwortung Luftlandebrigade 25 (CALW) und dem Fallschirmjägerbataillon 253 (NAGOLD) mehrere Versuche unternommen, zumindest die Ebene der Luftbeweglichen Arzttrupps zu erproben. Sprungeinsätze aus Bell UH 1 D sowie Anlandung mit CH 53 waren die Verbringungsmittel dafür. Ideen wurden entwickelt und als unpraktisch verworfen. Entweder waren die Packmittel unzweckmäßig oder wurden durch die eingesetzten Luftlandesanitäter nicht akzeptiert. Weltweit steckte die Materiallage noch deutlich in den Kinderschuhen. Kein Vergleich mit den strapazierbaren, leichten und auch noch zweckmäßigen Gerätschaften
der heutigen Tage.

Erst nach vielen Versuchen und weiterer konzeptioneller Weiterentwicklung entstand ein vorerst tragfähiges Konzept. Leider kam dieses Konzept dann nicht flächendeckend in die Truppe zur Umsetzung. Politische Ereignisse, mit Auflösung der 1. Luftlandedivision, Aufstellung des Zentralen Sanitätsdienstes, den beginnenden Einsätzen auf dem Balkan und einer Neuausrichtung auf Out of Area Einsätze ließen all diese Überlegungen in den Schubladen oder Archiven verschwinden.

Am Weg zum Combat First Responder

Erst viele Jahre später tauchten sie in weiterentwickelter, oder angepasster Version wieder auf. Konzepte wie sie heute noch aktuell sind, selbstverständlich an neue Materialmöglichkeiten und operative Einsatzgrundsätze angepasst. Die Grundidee, spezielle, militärische Sanitäter vor Ort bei den Spezial und Spezialisierten Kräften dabei zu haben, ist Maxime professioneller Eliteverbände. KSK (Kommando Spezialkräfte = Special Forces) und EGB (Erweiterte Grundbefähigung = Ranger). Fallschirmjäger haben diese Grundidee optimiert und auch auf ein hochwertiges Niveau angehoben. Für mich war es eine bewegende und spannende Zeit. Schön Teil dieser Entwicklung von ersten Versuchsreihen bis zum heutigen Iststand mit CFR (Combat First Respondern),
gewesen zu sein.

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