Es geht rein. INFIL. – „Infiltration“ ist der Einstieg in den Film. Der Hubschrauber zieht tief über die Landschaft Afghanistans. Dürr und trocken meist, dazwischen grüne Streifen, sehr nette sanfte Hügel in Khaki. Landung am Stützpunkt. Alles, was in INFIL_EXFIL in Afghanistan passiert, wurde mit Helmkamera in HD dokumentiert. Michael Golembesky ist also nicht nur der Regisseur dieses Films, der sein Leben ist, er ist auch der Hauptdarsteller.
INFIL_EXFIL (HIER online zu sehen), so Golembesky, ist „ein künstlerischer Blick auf den Krieg in Afghanistan und zeigt eine schweigsame Zurückgezogenheit, wie sie viele Veteranen aus dem Krieg mitbringen“. Das Hauptmaterial dokumentiert einen Kampftag von Marine und Army Special Operations im Dorf Daneh Pasab, Afghanistan, im April of 2010. Dazu kommen Bilder aus Colorado in den USA, wo Michel Golembesky jetzt lebt. Alles unterlegt von Independent-Musik, die den Film begleitet. Der Zauber dieser Dokumentation liegt in genau jenem Mix der Bilder: hier das zivile Leben – mal in wackeligen Aufnahmen aus der Kindheit des Protagonisten, mal in der farbigen Pracht des städtischen Alltags und der Schönheit der Natur in den USA (schaut übrigens teilweise Afghanistan nicht unähnlich).
Der Bruch darin ist der Krieg. Er beginnt mitten in der Nacht. Schüsse, vorwärts bewegen, auf der Suche nach den Taliban. Doch die sieht man nicht, fast nie. Es wirkt wie ein surrealer Einbruch als plötzlich zwei gefallene Afghanen gezeigt werden. Taliban? Die Bilder die dagegenhalten sind eine nächtlich oder weihnachtlich beleuchtete Stadt in den USA.
Die Helmkamera verfolgt den Blick des Protagonisten. Wir sehen, was er sieht. Er ist in der Gruppe der Kameraden, schaut, was sie machen; sie dokumentiert den Blick durch das Gelände, auf der Suche nach der Gefahr; wir fahren am Quad um einen Verletzten zum Medic zu bringen; oft sind wir in der Visierlinie über die Waffe hinweg um mit einer M4A1 SOPMOD Block 2 oder einer AT-4 auf den Feind zu feuern. Man sieht ihn nicht. Aber man weiß, dass er da ist. (Meist markiert am Ende eine gigantische Explosion, die vermeintliche Position des Feindes, wenn die Luftunterstützung da ist. Die Kanonen schießen auf die Spatzen, ist man versucht zu interpretieren.)
Der Betrachter sieht mit Michael Golembesky die Einschläge in der Lehmwand unweit von ihm, die einem Kameraden gegolten haben, der gerade die Stellung wechselt. Gefahr. Die schnellen Kopfbewegungen, wenn etwas los ist. Die Helmkamera gibt uns die Chance sehr nahe dabei zu sein. Oder sie vermittelt uns zumindest die Illusion.
EXFIL heißt „Exfiltration“. Wieder raus. Der, der am Ende des Filmes rauskommt, geht nicht mehr, er ist tot. Die Kamera zeigt ein Spalier am Stützpunkt. Ein Gefallener wird in die US-Flagge gehüllt zum Blackhawk Hubschrauber gebracht, der die Leiche ausfliegt. Der Film ist den gefallenen der MARSOC Einheit gewidmet, in der Golembesky gedient hat.
Den friedlichen Bildern steht die Intensität und das Chaos des Gefechtes gegenüber, den Frieden der Heimat kontrastieren die Gefahren des Krieges. Wenn es die Seele zerreißt, weil der Mensch das Erlebte nicht ablegen kann, dann heißt das „Post-traumatic stress disorder“ (PTSD). Die seelischen Verletzungen, die ein Mann aus dem Krieg mitnimmt. Auch Michael Golembesky leidet an PTSD, aber er redet wohl nicht gerne darüber … Der Film ist seine Erklärung.
Auch ungewöhnlich an diesem Projekt ist, dass das Plakat für INFIL_EXFIL von einen jungen österreichischen Grafiker stammt. Andre Frühwirth lebt und arbeitet in Wels in Oberösterreich. Ein erster Kontakt mit Michael Golembesky ist über Facebook entstanden. „Es war wohl mehr eine zufällige Auswahl, da ich mich mal als Grafiker mit ein paar Tipps Zwecks seines Buchcovers (Anm: „Level Zero Heros“ ist ein demnächst erscheinendes Buch über MARSOC in Afghanistan) bei ihm gemeldet hatte“, meint Andre. Die Idee, sich beim Plakat auf die Helmkamera zu fokussieren, war relativ schnell klar, sie soll die Perspektive des Filmes aufzeigen. Der Anfangs geplant Verweis zur amerikanischen Flagge wurde durch die Namen des Teams im Hintergrund ersetzt um einen persönlichen Bezug herzustellen.
Nach einem ersten Shooting mit einem helleren und einem dunkleren Entwurf folgte dann das Shooting mit zwei MSA MICH 2000, weil anfangs ein Projekt mit zwei Plakaten – Norotos und Wilcox NVG-Mount (siehe Bild am Ende des Artikels) – geplant war. In die finale Phase ging dann die Version mit der Norotos Mount, wie sie bei MARSOC verwendet wird.
„Letzter wichtiger Punkt für Michael war noch einen Bezug zum Ziel des Filmes, das aufmerksam machen auf PTSD“, erzählt Andre. Da das Poster zu dem Zeitpunkt schon auf die ausdrucksstärksten Elemente reduziert war, haben er und Andre Frühwirth sich darauf geeinigt das Ganze mit einem einzigen Satz zu erwähnen und in diesem das Rot von der Helmkamera zu wiederholen und somit zwei Eyecatcher zu schaffen.
„Für mich persönlich war es eine große Ehre an dem Projekt arbeiten zu dürfen und sicher auch eines der spannendsten Themen“, meint Andre Frühwirth. „Als Österreicher etwas zu so einem Projekt beitragen zu dürfen war sicher etwas Einzigartiges. Vor allem auch die Freundschaft zu Michael und die Kontakte zu MSOT8222 Mitgliedern die durch die Arbeit entstanden sind, sind etwas, auf das ich sehr stolz bin.“
Der Film ist HIER gratis zu sehen.
„Ich möchte für PTSD sensibilisieren.“
Michael Golembesky im Interview
Cast: Michael Golembesky, Marines und Seemänner vom U.S. Marine Special Operation Team (MSOT) 8222, Soldaten und Airmen vom Operational Detachment Alpha (ODA) 1314 und Afghanische Kommandos.
Offizielle Seite zum Film: INFIL_EXFIL
Das Buchprojekt: Level Zero Heroes
Wer mehr über Post-traumatic stress disorder erfahren und wissen will, wie er helfen kann: Military Minds