Piraten sind längst nicht mehr nur eine gute Unterhaltung auf der Kinoleinwand. Sie sind eine Bedrohung für international wichtige Transportwege. Auch Private Sicherheitsdienstleister treten dagegen an. Andreas Engelbracht ist Director Maritime Security – HQ Germany der ISN – International Security Network GmbH. Udo Lücken hat ihn für SPARTANAT zum Interview getroffen und mit ihm über die aktuelle Situation der Piratenbedrohung auf den Weltmeeren und das ISN-Special Maritime Security Training gesprochen.

SPARTANAT: Herr Engelbracht, wie beurteilen Sie die aktuelle Situation hinsichtlich der Piraterie-Bedrohung auf den Seehandelsrouten der Weltmeere?

Engelbracht: Nun, das ist mit drei Sätzen nicht zu erläutern. Wir verzeichnen derzeit mindestens fünf aktive Präferenzzonen. Da haben wir Ostafrika, Westafrika, die asiatische Problematik und auch Mittel- bzw. Südamerika. Hier überall finden wir derzeit die Piraterie mit ihrer gesamten, breit aufgestellten Erscheinungsform wieder. Der Fokus der bedenklichen Aktivitäten liegt für die europäische Handelsschifffahrt vor der Westküste Afrikas und punktuell vor Nigeria im Golf von Guinea.

Die mediale Ignoranz und das relativieren dieser hochaktuellen Thematik von offiziellen Stellen, scheint gewollt und gesteuert. Es bietet sich dennoch ein belegbar anderes Lagebild, welches sicherlich keinen Grund zur Entspannung bietet. Ostafrika (hier speziell Somalia) ist keineswegs im ruhigen Fahrwasser. Von den Nachrichtendiensten werden hier insbesondere drei Clans beobachtet, die sich das Geschäftsmodell „Piraterie“ nach wie vor und recht erfolgreich auf die Tagesordnung geschrieben haben. Insgesamt stehen ca. 3.500 gut bewaffnete Männer in Somalia bereit, das Piraterie Geschäft jederzeit wieder verstärkt aufzunehmen. Ihre nachhaltigste Waffe; sie haben Zeit – viel Zeit! Die Kaper-Taktik haben sie den Überwachungsmechanismen der ATALANTA-Streitkräfte, welche hier patrouillieren, angepasst. Ihre „Ausfahrten“ dienen lediglich dem taktischen Ziel, die Lücken des Sicherheitsmanagements auszuloten. Das passiert regelmäßig und hochprofessionell. Sie warten neuerdings aus der Region „Nord-Puntland“ heraus, bis die ohnehin löchrige Sicherheitskette aufreißt und fahren dann direkt in den Golf von Aden hinein. Von hier droht nach wie vor eine ernsthafte Gefahr für die zivile Schifffahrt und für die sensiblen Handelswege östlich der somalischen Gewässer.

Westafrika hat eine andere Dimension. Hier erkennen wir zwar ein strukturelles Staatsgefüge, allerdings sind Korruption, Misswirtschaft und Kumpanei national sehr ausgeprägt. Es geht hier vordergründlich nicht um klassische Schiffsentführungen mit anschließender Lösegelderpressung, sondern vielmehr um großformatigen Ladungsdiebstahl, kurzfristige Entführung von Besatzungsangehörigen. Leider sind hierbei auch immer wieder regionale staatliche Stellen, zum Teil aktiv, involviert.

Die asiatische Problematik war, nachdem es hier ernsthafte Zwischenfälle gab, einmal unter guter Kontrolle. Doch erleben wir auch hier aktuell ein starkes Aufleben der Piraterie. Allerdings finden diese Vorfälle nahezu stets in Territorialgewässern statt, womit der Begriff „Piraterie“ rein rechtlich nicht mehr anwendbar ist, sondern nationalstaatlich „nur noch“ unter Organisierte Kriminalität läuft. Damit fallen diese Vorfälle auch aus der offiziellen Piraten-Statistik herausfällt und verfälschen das Gesamtbild der Bedrohungslage.

Für die Staaten Mittel- und Südamerikas gilt dies adäquat. Allerdings nehmen die Vorfälle hier dramatisch zu – ohne entsprechendes Reporting der Betroffenen Schiffe! Besorgniserregend ist für alle Gebiete die hohe Dunkelziffer. Es geschieht viel mehr, als allgemein publiziert wird. Das trifft für alle „High-Risk-Areas“ weltweit gleichermaßen zu.

SPARTANAT: Was meinen Sie, was hier zukünftig auf Europa in der Gesamtthematik zukommen wird?

Engelbracht: Unter monitoring der uns zu Verfügung stehenden verifizierten Open Sources-Informationen – nichts Gutes. Im Bereich der organisierten Piraterie stellte unser OpInfo-Team bereits vor einiger Zeit fest, dass der „Islamische Staat“ (IS) erhebliche Gelder dafür verwendet, sich in die „Piraterie Industrie“ – vorzugsweise in Ostafrika – einzukaufen. Die Terrororganisation „Al Shabab“ ist hier sehr in unserem Fokus, obgleich sie gerade mit einem der erwähnten drei „Piraterie-Clans“ in Somalia im Konflikt steht. Dennoch laufen hier erhebliche Transaktionen. Hier wächst etwas heran, was frei von staatlicher Kontrolle ist.

SPARTANAT: Wie bilden Sie diesbezüglich Ihre Ship Security Guards für die Einsätze aus?

Engelbracht: Zunächst gehen wir ernsthaft davon aus, dass uns sowohl im Bereich der Piraterie, als auch im internationalen urbanen Bereich zukünftig anderes, hochkarätigeres Klientel als Gegner entgegensteht. Sie werden mit einer viel aggressiveren Vorgehensweise in Erscheinung treten und von unserer Seite ein hohes Engagement erfordern. Deshalb folgen wir auch bewusst nicht dem derzeitigen Markt-Trend und fahren eben nicht auf „Sparflamme“, was unser Investment in Ausbildung und Ausstattung angeht. Grundsätzlich durchlaufen bei uns alle Bewerber einen fordernden Eignungstest. Bestehen sie diesen, werden sie einer Grundausbildung zugeführt. Bestehen sie diese, erfolgt eine fachspezifische Spezialausbildung. Anschließend dürfen sie in den faktischen Einsatz.

SPARTANAT: Auch die Fortbildung der Einsatzkräfte spielt eine wesentliche Rolle. Wie stellt Ihr Unternehmen das sicher?

Engelbracht: Natürlich ist die zeitgemäße und regelmäßige Fortbildung ein wesentliches Element der Qualitätserhaltung unserer maritimen und urbanen Einsatzkräfte im internationalen Maßstab. Da haben wir langjährige Erfahrungen und verfügen über umfangreiche und bewährte Schulungs- und Fortbildungsmodule.

SPARTAN: Sie erwähnen Module. Welche können Sie hier beispielhaft aufzeigen?

Engelbracht: Taktik, Raumspezifik, Planung und Organisation, kennenlernen von Wasserfahrzeugen aller Art, aeronautische Unterweisung, nachrichtendienstliche Tätigkeiten, medizinisch-rettungstechnische Maßnahmen, Waffentechnik mit unterschiedlichen Kalibern… etc. Als ein plastisches Beispiel soll das nachfolgend aufgeführte Ausbildungsprogramm für unsere operativen Einsatzkräfte im Bereich „MARITIMER SECURITY“ im Monat Dezember 2014 (Offerte) dienen: Vom 8. Dezember beginnend, findet auf unserem Ausbildungs-und Einsatzschiff „MARKAB“ im Seegebiet vor Malta, eine zehntägige fachspezifische maritime Spezialausbildung für vorgebildete Kräfte statt. Die Teilnehmer wohnen in dieser Zeit auf dem geräumigen 50 Meter Schiff. Der Kurs, der bewusst auf 15 Personen beschränkt wird, hat als Kernpunkte die erweiterte Schießausbildung, den sicheren Umgang mit den Einsatzmittel unter Close Quarters Battle-Bedingungen, Combat Area First Aid (CAFA) und das Präzisionsschießen auf große Distanzen. Die Waffenausbildung umfasst die stresssichere Handhabung aller Waffen, das taktische Vorgehen im Team und das effiziente Abwehren von Angriffen als Gesamtkonzept. Dies wird im Modul unter Drill- und Seebedingungen intensiv und einsatzorientiert trainiert.

SPARTANAT: Auf den beigefügtem Bildmaterial tragen die Kurs-Teilnehmer teils unterschiedliche Kampfmittelwesten und Taschen. Gibt es da keine einheitliche Uniformierung?

Engelbracht: Selbstverständlich bieten wir unseren Einsatzkräften – die gesamt aus militärischen oder polizeilichen Verwendungen stammen – eine einheitliche Grundausstattung an! Man muss aber auch insoweit zur Kenntnis nehmen und vor allem auch akzeptieren, dass manche gestandene behördliche Einsatzkräfte, die den Weg zu uns gefunden haben, ihre eigene Ausrüstung bevorzugen, da sie damit vertraut sind und darauf aus verschiedenen persönlichen Gründen nicht verzichten wollen. Sie haben damit positive „Einsatzerfahrungen“ gesammelt, die man nicht so ohne weiteres ersetzen kann. Sie verzichten eben auf die von uns bereitgestellten Asservate und nehmen nur Hilfsmittel an. Das können wir durchaus so akzeptieren.

SPARTANAT: An welchen Handwaffen-bzw. Waffensystemen bilden Sie aus und wie intensiv bzw. Einsatznah ist die Ausbildung?

Engelbracht: Die Waffen und Einsatzmittel sind auf den maritimen Einsatz abgestimmt und erlauben eine schnelle Tag/Nacht-Reaktionsfähigkeit. Wir verwenden keine automatischen Kriegswaffen, da sie für die Aufgabe der Schiffsabsicherung nicht zweckmäßig sind. Die verwendeten Munitionssorten haben eine hohe Wirksamkeit gegen technische Ziele wie Bootskörper und Bootsmotoren. Die Abschreckwirkung ist entsprechend. Der erweiterte Ausbildungsbereich Handwaffen umfasst die 9mm Pistole Glock 17 als Backup-Waffe für den Nah- und Nähstbereich. Als Hauptbewaffnung verwenden wir von Heckler&Koch die Selbstladebüchse MR 223 im schnellen Kaliber 223. Remington (5,56 mm) für die mittlere Entfernung bis 500 Meter und bei Distanzen bis 800 Meter die MR 308 A3 im wirkungsstarken Kaliber 308 Win. (7,62x51mm). Für die Long Range-Distanz (bis 1.200 Meter) kommt das Präzisionsrepetiergewehr Remington 700, im Kaliber 300 Win. Mag. (mit handgeladener Munition) zum Einsatz. Diese Distanz stellt auch gleichzeitig die Feuereröffnungslinie dar, wenn wir durch unsere Hochleistungsferngläser sich annähernde „Fischer“-Boote als Piraten identifiziert haben. Häufig lassen diese dann auch nach den ersten Wasserfontänen vor deren Booten vom Vorhaben ab.

SPARTANAT: Wo grenzen Sie sich zu den „großen“ Anbietern in der Branche ab?

Engelbracht: Zunächst möchte ich festhalten, dass die „Großen“ in der Sicherheitsbranche fast ausschließlich die nationale Fläche bedienen und damit einen wesentlichen und wertvollen Beitrag zur Sicherheitsarchitektur in Deutschland leisten. Peripherer Wachdienst, Objekt- und Veranstaltungsschutz, Geld-und Werttransporte, Aviation-Security etc. sind durchaus wichtige Elemente in der deutschen gewerblichen Sicherheitsarchitektur. Dies erfolgt in enger Zusammenarbeit mit den behördlichen Organen. Wir grenzen uns seit Jahren schon dahingehend ab, dass wir speziellere Dienstleistungen in unserem Portfolio anbieten und gewährleisten. ISN (International Security Network) kann, wegen seiner enormen Flexibilität und Mobilität auf nahezu alle globalen Anfragen reagieren. Die Trägheit in der Flächentätigkeit kann das natürlich nicht erbringen. Wir sind 24/7/365 weltweit einsatzfähig, und das tatsächlich zu Lande, zu Wasser und in der Luft.

Mehr Infos: http://www.isn.eu.com/maritime-security/details/special-marsec-training/

INTERNATIONAL SECURITY NETWORK im Internet: www.isn.eu.com